Projektleiter Yehuda Bashari vor einer Tunnelröhre im Har Hamenuchot – im Berg wird ein unterirdischer Friedhof für 20.000 Gräber errichtet.

Foto: Lissy Kaufmann

Jerusalem – Kalt, dunkel und ungemütlich ist es hier unter der Erde. Wie man sich einen Untergrundfriedhof eben vorstellt. Und ziemlich laut. "Das wird sich alles noch ändern", ruft Yehuda Bashari gegen das Dröhnen der Bohrmaschinen, Bagger und Zementlaster an. "Es wird hier Licht geben, eine Klimaanlage und sogar Aufzüge. Alles neuste Technik."

20.000 Gräber sollen hier unter der Erde auf rund 25.000 Quadratmetern entstehen: Im Boden und in den Steinwänden – und dort, wo das Gestein nicht durchbohrt werden kann, sollen die Toten in Styroporgräbern entlang der Wände bestattet werden. Seit drei Jahren schon rollen Laster Steine und Geröll aus dem Berg, um Platz zu schaffen für die Tunnelröhren.

Baukosten bei 50 Millionen Euro

"Wir werden hier übereinander drei Balkonreihen bauen, über die Besucher zu den Gräbern in den Wänden gelangen", erklärt Yehuda Bashari, der technische Leiter auf dem Bau dieses modernen Untergrundfriedhofs im Har Hamenuchot, dem Berg der Verstorbenen. Ein Wahnsinnsprojekt, findet Bashari, der schon von Anfang an dabei ist. Die Kosten lägen bei rund 50 Millionen Euro. "Aber es ist wie mit einem Start-up: Gerade wenn dir Leute sagen, du bist verrückt, dann musst du das Projekt durchziehen."

Hinzu kommt: Den Friedhofsbetreibern bleibt kaum eine Alternative. Denn der Platz oberhalb der Erde wird demnächst ausgehen. Schon jetzt ist Har Hamenuchot mit rund 200.000 Gräbern der größte Friedhof in Jerusalem. Wer über die Hauptzufahrtsstraße aus dem Zentrum des Landes nach Jerusalem fährt, sieht ihn hoch oben – ein Berg übersät von hellen Grabsteinen.

Begehrte letzte Ruhestätte

Vor allem gläubige Juden wollen gerne in Jerusalem begraben werden, in der Stadt, in der nach jüdischem Glauben irgendwann der Messias auftauchen wird. Jerusalemer selbst haben ein Anrecht auf einen Bestattungsplatz in ihrer Stadt. Nach jüdischem Gesetz müssen sie nach dem Tod innerhalb eines Tages bestattet werden, komme, was wolle.

Und wer nicht in der Heiligen Stadt wohnt, kann sich zu Lebzeiten ein Grab kaufen – was beispielsweise viele jüdische Amerikaner auch täten, erklärt Yehuda Bashari, der für Kehilat Jerushalayim arbeitet. Dieses Bestattungsunternehmen hat den Bau unter Tage in Auftrag gegeben.

"2000 Bestattungen haben wir hier jährlich", erzählt Bashari. Es wird also eng. Und Gräber sind im Judentum etwas für die Ewigkeit: "Im Judentum ist es verboten, die Toten irgendwann wieder aus den Gräbern zu holen oder die Erde umzugraben" erklärt Yehuda Bashari. Auch Feuerbestattungen sind tabu.

Und die besonders strenggläubigen Juden, die Charedim, lehnen auch Doppelgräber ab, ebenso Wandgräber oder die Gräber in den mehrstöckigen Etagen, die bereits oberhalb auf dem Friedhof gebaut wurden und aussehen wir offene Parkhäuser. Für die Strengreligiösen kommt nur eine Einzelbestattung in der Erde infrage.

16 Stockwerke im Berg

Und so treffen jahrtausendealte jüdische Tradition und modernstes israelisches Hightech zusammen: "Es sieht so aus, als seien die Gräber in den Steinwänden für die Charedim in Ordnung, schließlich befinden sie sich ja unterhalb der Erde", erklärt Yehuda Bashari. Tief drinnen im Tunnel, dort, wo der Berg am höchsten ist, strahlt plötzlich von weit oben Licht nach unten. Bashari wirft den Kopf in den Nacken: "Das wird einer der Eingänge. Mit mehreren Aufzügen kommen die Besucher nach unten. 16 Stockwerke mit 300 Wandgräbern werden in diesem Schacht entstehen."

Damit die Besucher sich nicht verlaufen, sollen an den Eingängen Computer aufgebaut werden, die den Weg zum Grab zeigen. Außerdem wird darüber nachgedacht, eine App zu erstellen, die Besucher zur richtigen Stelle navigiert.

Schon Ende 2018 sollen hier die ersten Begräbnisse stattfinden, erklärt Bashari. "Rund 6500 Gräber werden bis dahin fertig sein." Bis zur endgültigen Fertigstellung wird es aber noch acht bis zehn Jahre dauern. Doch auch danach sei sicher noch nicht Schluss, ist Bashari überzeugt. Denn auch dieser Platz wird irgendwann ausgehen. (Lissy Kaufmann aus Jerusalem, 12.2.2018)