Berlin – In Europa herrscht Chaos, Rechtsextreme sind nicht nur im Vormarsch, sie haben bereits in vielen Ländern die Herrschaft übernommen. Die letzte freie Zeitung wurde eingestellt, Kritiker werden eingeschüchtert, mundtot gemacht. Wer nicht für die Machthaber ist, wird weggesperrt. Es ist eine beängstigende Dystopie, die der ARD-Film "Aufbruch ins Ungewisse" Mittwochabend ab 20.15 Uhr zeichnet. Aber in Zeiten wie diesen und mit Blick auf die Türkei oder in Richtung Ungarn auch nicht völlig aus der Luft gegriffen.

Erzählt wird eine klassische Flüchtlingsgeschichte, aber mit umgekehrten Vorzeichen. Es sind nicht Verfolgte in Syrien oder Afghanistan, die nach Europa flüchten. Im Film trifft es die Mittelschichtfamilie Schneider, die so schnell wie möglich Deutschland verlassen muss.

Jan Schneider (überzeugend: Fabian Busch) droht wieder das Gefängnis, zu oft hat er sich als Anwalt für Mietrecht auf die Seite der Schwächeren gestellt und ist so ins Visier der Regierung geraten. Gemeinsam mit seiner Frau Sarah (Maria Simon), Teenagertochter Nora (Athena Strates) und dem siebenjährigen Nick (Ben Gertz) bereitet er sich auf die Flucht vor. Und hofft auf Asyl in Südafrika.

Foto: ARD/WDR

Persönliche Konflikte

Die Schneiders landen gemeinsam mit anderen in Deutschland Verfolgten in einem viel zu kleinen Schlauchboot, das sie nach Kapstadt bringen soll. Die Schlepper setzen die Flüchtlinge aber vor der Küste Namibias aus, das Boot kentert, der kleine Nick geht verloren, sein Schicksal bleibt lange ungewiss.

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Zu sehen sind Bilder und Geschichten, die man aus den täglichen Nachrichten kennt: überfüllte Boote, an Küsten angeschwemmte Gepäckstücke, in Lkws eingepferchte Menschen, unmenschliche Flüchtlingslager, komplizierte Bürokratie. Regisseur Kai Wessel bricht diese Situationen auf Einzelschicksale herunter und schafft so Anteilnahme – auch weil er die ganz normalen Konflikte innerhalb der Familie nicht auslässt.

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Funktionieren, um zu überleben

Die Tochter rebelliert, ihr fehlen Smartphone und Freundinnen. Und Sarah geht Jans oft allzu theoretischer Zugang in schier ausweglosen Situation gehörig auf die Nerven. "Hör endlich auf, so zu tun, als könnten wir noch irgendetwas entscheiden", sagt Sarah. Zu Recht. Denn es geht nur noch darum, zu funktionieren und so zu überleben.

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"Ich habe mich gefragt, ob man das machen darf, die Rollen einfach umzudrehen und sich das Leid der Flüchtlinge gewissermaßen anzueignen", sagt Fabian Busch, der Darsteller von Jan Schneider. Ja, das ist legitim. Weil der Film zum Nachdenken anregt und bei manchen vielleicht für mehr Mitgefühl und Verständnis sorgt.

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Keine Diskussion dazu bei Maischberger

Einordnung und Istsituation hätten im Anschluss an den Film eine Diskussion bei Sandra Maischberger anregen sollen. Doch das geplante Thema "Flucht" wurde kurzfristig gegen das "Groko-Drama" ausgetauscht. Schade. (Astrid Ebenführer, 14.2.2018)

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