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Im Rahmen des Gedenkens zum hundertjährigen Bestehen der Republik widmet sich die Reihe "Zwickt's mi" Popmusik in Österreich. Einzelne Songs, die die heimische Populärmusik geprägt haben, werden in Erinnerung gerufen und vorgestellt. Vollständigkeit ist nicht das Thema, die Bedeutung zählt. Über jene des heutigen Songs gibt es keine Diskussion.

Marianne Mendts "Wie a Glock'n, die 24 Stunden läut'" zählt zu den Schlüsselwerken des Austropop. So wie das an dieser Stelle vor zwei Wochen vorgestellte "Da Hofa" von Wolfgang Ambros. Und zwar bevor es den Begriff Austropop überhaupt gab.

Mit dem Erscheinungsjahr 1970 reiht es sich in der Chronik noch vor Ambros ein, ist mit dessen Kunst verwandt und doch ganz anders. Zwar trugen beide Musiker im Wiener Dialekt vor, was ein wesentliches Stilmittel des Fachs werden sollte, doch Mendts Musik war deutlicher von internationalen Vorbildern geprägt.

Gerhard Bronner schrieb den Text von "Wie a Glock'n ...", Hans Salomon die Musik. Die war eine Mischung von Sixties-Beat mit niederschwelligen Jazz-Charakteristika und in forschem Tempo gespielt. Das ergab etwas, was man heute unter Easy Listening einordnen würde; einen Klangteppich, auf dem sich Mendts selbstbewusster Vortrag wunderbar entfalten konnte. Zwar teilt ihr der Song die Rolle des auf den Herzbuben wartenden Fräuleins zu, Mendt wirkt dabei aber nicht so, als wüsste sie mit ihrer Freizeit nichts anzufangen.

"Wie a Glock'n ..."
Charivari

Dass die heute 72-Jährige zur Mutter des Austropop werden sollte, war Zufall, denn ihre Leidenschaft galt eigentlich dem Jazz. Ihr Vater hatte der zwölfjährigen Marianne eine Platte von Ella Fitzgerald geschenkt. Da war es um sie geschehen, da wusste sie, das will sie auch machen.

Selbstbewusst

Jazz sprach sie auf ihrem Debüt als "Jass" aus, der Reim schrieb das so vor: "Jeder hat an anderen Schmäh" sang sie im Opener. Auch das war das Statement einer selbstbewussten Frau, die sich nicht bloß als schmuckes Accessoire der Männerwelt verstand.

"Jeder hat an anderen Schmäh"
fritz5182

Unterstützt von Bläsern, betrat sie das Feld der zwischenmenschlichen Probleme. Neben jazzigen Arrangements brillierte Mendt mit Chansons wie "Der Meinige" oder litt waidwund in "Wann i eahm nur vergessen könnt'". Der bekannte Song "The Age of Aquarius" wurde zum verwegen eingedeutschten "Der Wasserkopf" und unterstreicht den Versuch, internationalen Anspruch mit einer österreichischen Identität zu versehen.

Drittletzte beim ESC

Im Realitycheck gelang das außerhalb unserer Grenzen nur bedingt. 1971 trat Mendt für Österreich in Dublin beim Eurovision Song Contest an und wurde mit dem Lied "Musik" Drittletzte. Das Ergebnis spiegelt nicht wirklich die Qualität ihrer Darbietung und des Songs wider, aber das gehört ja zur Folklore dieser Veranstaltung.

Song Contest 1971.
JoaoVelada

Sechs Alben hat Marianne Mendt in den für den Austropop prägenden 1970ern veröffentlicht. Heute gilt sie zudem als eine Grande Dame des heimischen Jazz. Und selbst wer mit ihrer Musik nicht viel anfangen konnte, kam an MM kaum vorbei: Sie spielte im ganzen deutschsprachigen Raum Theater und drückte zwischen 1992 und 2000 der TV-Serie "Kaisermühlen-Blues" ihren Stempel auf.

Ein Original – bis heute

Bis heute taucht sie in Filmen und Serien auf, dabei besitzt sie dieselbe Präsenz, denselben bodenständigen Charme, der ihre frühen Alben prägten. Ein Original, wie man sagt. Eines, das längst zu seiner großen Liebe zurückgekehrt ist: dem Jazz. Mit dem MM Jazzfest in St. Pölten fördert Mendt den heimischen Nachwuchs. Mit vollem Einsatz, "wie a Glock'n, die 24 Stunden läut'." (Karl Fluch, 17.2.2018)