Ankara wirft dem deutsch-türkischen Journalisten Propaganda für Terrororganisationen und Aufstachelung zum Hass vor.

Foto: foto: afp photo / odd andersen

Zum Jahrestag ist sein Buch auf den Markt gekommen. Wir sind ja nicht zum Spaß hier lautet der Titel. Deniz Yücel, Journalist aus dem hessischen Flörsheim und Deutschlands bekanntester Häftling, denkt gar nicht erst ans Aufgeben.

Auch nach einem Jahr in Polizeigewahrsam und Untersuchungshaft ist das Wort seine stärkste Waffe. Unabhängige Justiz in der Türkei? "Türlich. Unabhängigste Justiz wo gibt von ganse Welt", schreibt Yücel ironisch der Deutschen Presseagentur im Jänner in einem schriftlich geführten Interview aus der Zelle.

Der 44-jährige Korrespondent der deutschen Tageszeitung Die Welt ist bei weitem nicht der einzige Journalist, der in Silivri, eine Autostunde westlich von Istanbul entfernt, in Einzelhaft sitzt. Landesweit sind es derzeit 156 laut einer Liste der türkischen Journalistenvereinigung Plattform 24. Keiner von ihnen nimmt die Kriminalisierung der Meinungsfreiheit hin.

Ahmet Altan etwa, der schon seit eineinhalb Jahren inhaftierte ehemalige Chefredakteur der zwangsgeschlossenen Zeitung Taraf, hat bei einer Verhandlung am Dienstag seine Verteidigung mit einem stolzen Satz begonnen: "Ich bin heute nicht hierher gekommen, damit über mich gerichtet wird, sondern um selbst zu richten."

Anders als bei Altan, einem Veteranen des liberalen türkischen Journalismus, hat die Staatsanwaltschaft im Fall Yücel noch keine Anklageschrift zustande gebracht. Allerdings nötigte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der türkischen Regierung eine Stellungnahme ab. In dem Schriftstück, das erst nach mehreren erbetenen Verlängerungen im November 2017 eingereicht wurde, wirft Ankara dem deutsch-türkischen Journalisten Propaganda für Terrororganisationen und Aufstachelung zum Hass vor.

Acht Artikel, die Yücel zwischen 2015 und 2017 geschrieben hat, zieht die türkische Justiz dafür als Beleg heran. Darunter ist zum Beispiel ein Interview, das Yücel gleich zu Beginn seiner Korrespondententätigkeit mit Cemil Bayik, einem Gründer der PKK, führte und das auch in der linken türkischen Zeitung Birgün erschienen war.

Die Straßburger Richter könnten nun Yücels Freilassung aus der U-Haft verlangen. Yücel, der sich früher einen Namen als bissiger Schreiber bei der linken Wochenzeitung Jungle World und der taz in Berlin machte, ist seit seiner Inhaftierung mit der deutsch-türkischen Schriftstellerin Dilek Mayatürk verheiratet. (Markus Bernath, 14.2.2018)