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Weltweit sind die mittleren Einkommen stärker als die hohen gewachsen. Darum sinkt die globale Ungleichheit. Besonders profitiert hat die neue Mittelschicht in China – die mehr Geld für den Konsum hat.

Foto: Reuters

Flüchtlingskrisen, Bürgerkriege, Börsenkrachs – umklammert von einer Hyperglobalisierung – dominieren die Schlagzeilen. Mit der Welt, so scheint es, geht es bergab. Das geschieht alles, während die Reichen immer reicher und die Armen ärmer werden, so der Eindruck. Tatsächlich wächst die Kluft bei den Einkommen in vielen Ländern. Doch global betrachtet ergibt sich ein ganz anders Bild: Armut und Ungleichheit sind seit der Jahrtausendwende deutlich zurückgegangen. Eine historisch einzigartige globale Mittelschicht ist im Entstehen.

Auf der Suche nach dem neuen globalen Mittelbürger trifft man auf Herrn Wang aus Schanghai. Als statistisches Konstrukt lebt er im bevölkerungsreichsten Land der Welt, China. Er ist ein Mann, weil es mehr Chinesen als Chinesinnen gibt. Er lebt nicht auf dem Land, sondern in einer Stadt, wie erst seit wenigen Jahren die Mehrheit seiner Mitbürger. Er fährt Moped statt Rad und ackert im Büroturm statt auf dem Feld. Und, das ist historisch neu, er ist nicht arm, sondern Teil einer globalen Mittelschicht, mit einer Kaufkraft von rund zehn Dollar am Tag. So viel stand einem urbanen Bewohner Chinas im Jahr 2011 zur Verfügung – nicht wirklich, sondern statistisch.

Vermessene Mitte

Im Jahr 2011 erhob die Weltbank neue und bessere Daten, um weltweite Einkommensunterschiede zu vergleichen. Dafür wurden Menschen von Argentinien bis zur Zentralafrikanischen Republik detailliert zu ihrem Konsum und Lebensstil befragt. Ökonomen, die nach wie vor in diesem Datenschatz wühlen, haben gezeigt: Vor allem asiatische Länder sind deutlich wohlhabender als bisher angenommen.

Foto: Der Standard/PEW Research Centre/Weltbank

Im Jahr 2001 waren fast 30 Prozent der Weltbevölkerung arm, sie mussten mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen. Innerhalb einer Dekade hat sich ihr Anteil halbiert, wie eine Auswertung des Pew Research Center zeigt. Die Mitte ist hingegen breiter geworden. Die Mittelschicht bewegt sich laut den Forschern in einem Einkommensband von zehn bis 50 Dollar. Diese Gruppe ist in den zehn Jahren um mehr als ein Viertel gewachsen.

Für das Jahr 2016 schätzen Ökonomen der Brookings Institution die globale Mittelschicht auf 3,2 Milliarden Menschen oder knapp 45 Prozent der Weltbevölkerung. Derzeit wachse diese Schicht um jährlich 160 Millionen Menschen. Fast 90 Prozent der neuen Mittelständler würden aus Asien kommen. Künftig sollen ebenso viele zusätzliche Menschen aus Indien wie aus China zur Mitte aufsteigen.

Globale Ungleichheit sinkt

Andere Schätzungen sind etwas konservativer. Fest steht, dass weltweit die mittleren Einkommen stärker als die hohen gewachsen sind. Und darum sinkt die globale Ungleichheit.

Der chinesische Reformer Deng Xiaoping ist vermutlich mehr als jeder andere Mensch für die Verringerung der globalen Ungleichheit verantwortlich, als er die Tore im Reich der Mitte zur globalen Marktwirtschaft öffnete. Paradoxerweise hat er das unter dem Motto getan, dass "manche zuerst reich werden dürften". Schon bald war klar, dass der neue Reichtum im Land sehr ungleich verteilt wurde. Im Land ging die Einkommensschere auf. Seit dem Vorjahr leben in China sogar mehr Milliardäre als in den USA.

Gleichzeitig haben westliche Unternehmen viel Kapital in die neue Werkstatt der Welt gelenkt, um effizienter zu produzieren. Deren Eigentümer profitieren überproportional von Boom der Schwellenländer. Billige Produkte aus China haben aber die Kaufkraft aller Konsumenten erhöht. Wer könnte sich schon ein Smartphone leisten, das wie eine Luxusuhr in einem reichen Land zusammengeschraubt wird?

Eine wachsende Kluft innerhalb einer Volkswirtschaft und höhere Effizienz seien kein Naturgesetz, wie etwa der Harvard-Ökonom Dani Rodrik betont. Patentrezept für ein ausgeglichenes Wachstum gebe es jedoch ebenso wenig wie eine einzige Ursache für die Entwicklung der Ungleichheit – etwa die Globalisierung. (Leopold Stefan, 15.2.2018)