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Angela Merkel bei ihrer Aschermittwochsrede.

Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch

"Was hättse denn machen sollen?" Gundel schaut wirklich ein wenig ratlos ein und beißt erst mal ins Würstchen, um dann zu einer präzisen Lagebeschreibung zu kommen: "Die SPD hat Angela Merkel einfach die Pistole auf die Brust gesetzt." Und darum haben die Sozialdemokraten eben das Finanzministerium bekommen. "Gut finde ich das nicht", fügt die Rentnerin aus Demmin hinzu. Aber: "Wenn die Kanzlerin nicht nachgegeben hätte, hätten wir jetzt gar keine Regierung." Unmöglich wäre das, findet ihr Mann Georg. "Das geht doch nicht, in so einem großen und wichtigen Land wie Deutschland. Wir hätten bald Chaos."

Die Kritik an Merkel in der CDU haben die beiden natürlich vernommen. "Naja, ist schon was dran", sagt Gundel, "sie muss einfach ihre Nachfolge regeln. 13 Jahre Kanzlern sind genug." Blöd nur: Auch Gundel sieht weit und breit niemanden, der Merkel eines Tages nachfolgen könnte.

In Demmin, Mecklenburg-Vorpommern, gibt es auch keinen, der in Frage käme. Der heimatliche Landesverband Merkels fällt völlig aus, was potenzielle Kronprinzen betrifft. Aber darum geht es auch gerade nicht. Merkel, lobt CDU-Landeschef Vincent Kokert, habe sich dankenswerter Weise auch in "diesen nicht ganz einfachen Zeiten", nach Demmin aufgemacht, um hier, am Abend, ihre Aschermittwochsrede zu halten.

Als sie einzieht und damit ihren ersten Auftritt vor Publikum seit dem Ende der Koalitionsverhandlungen einleitet, ist die CDU-Welt noch in Ordnung. Die "Barther Blasmusik", die gerade noch von Rosamunde und Schnaps gesungen hat, spielt einen flotten Marsch, Merkel werden Blumen und Hände gereicht. Sie lächelt, geht aber sehr zügig zu ihrem Platz.

Geht es nach Günther, könnte sie noch viele Jahre hier, 220 Kilometer nördlich von Berlin, ihre Aschermittwochsrede halten. "Wer soll es denn sonst machen? Sie war es doch, die uns all die Jahre durch die Krisen geführt hat." Und dass die "Sozialisten" das nicht könnten, werde ja gerade bewiesen: "Die müssen sich erst mal selbst retten", sagt der Mitfünfziger. Aber er versteht den Unmut der Jungen in der Partei: "Die sind viel hitziger. Die können mit Merkel wenig anfangen, weil sie eine Frau des Ausgleichs ist und niemals mit der Faust auf den Tisch haut."

Dass der Verzicht des Finanzministerium zugunsten der SPD nicht so einfach wegzustecken, ist der CDU-Spitze mittlerweile klar. Also versucht Landeschef Kokert dem Unmut gleich mal entgegenzutreten und den Boden für die Hauptrednerin zu bereiten. Ja, der Verlust sei nicht einfach. Aber: "Es geht uns um politische Inhalte." Die CDU, das schwingt darin mit, betreibe eben keinen Postenschacher. Er glaubt auch daran, "dass dieses Land bei Angela Merkel in guten Händen ist". Denn: "Wir haben ihr so viel zu verdanken. Das lassen wir uns durch niemanden schlechtreden."

"Wir leben in einem wunderschönen Land"

Der Meinung ist auch Merkel, als sie endlich an der Reihe ist. "Wir leben in einem wunderschönen Land", sagt sie und macht in der ihr eigenen Art deutlich, dass das Gemeckere jetzt endlich aufhören möge. "Es geht jetzt nicht darum, permanent zu fragen, was macht der andere falsch, sondern darum, dass jeder einzelne fragt, was kann ich für dieses Land tun? Das ist die Aufgabe der Politik." Kein Wort über die geschundenen Sozialdemokraten kommt ihr über die Lippen. Sie sagt bloß: "Es ist nicht die Zeit für Kopf durch die Wand, es ist die Zeit für Vernunft und Verstand."

Fast nichts werde "bedauerlicherweise" diskutiert aus dem schwarz-roten Koalitionsvertrag, aber "wir haben viel getan". Merkel nennt mehr Stellen für die Polizei, die Angleichung der Lebensbedingungen in Deutschland, den Plan mehr Ärzte in den ländlichen Raum zu bringen. Auch sie kommt nicht um das Thema Finanzministerium herum. "Es wird ja viel geklagt, dass wir das nicht mehr besetzen", sagt Merkel, "und das verstehe ich auch". Aber jahrelang habe es Klagen gegeben, dass das Wirtschaftsministerium nicht in CDU-Hand sei. Jetzt sei wieder die CDU zuständig. "Ich bin schon sehr verwundert, dass das plötzlich nichts mehr zählt", ruft sie. Außerdem: "Wenn in Zukunft die Sozialdemokraten das Finanzministerium besetzen, dann werden unsere Haushaltspolitiker noch besser aufpassen, dass wir keine neuen Schulden auf dem Rücken unserer Enkelkinder machen." Denn die "schwarze Null ist unser Markenzeichen, und das wird sie auch bleiben".

Grundsätzlich, ist Merkel überzeugt, wollten die Menschen "dass es eine stabile Bundesregierung gibt und dass wir uns nicht permanent mit uns selbst beschäftigen". Denn es gehe jetzt, in dieser "besonderen Zeit" um etwas anderes: "Ob wir die Kraft aufbringen, unsere gemeinsamen Stärken sich entwickeln zu lassen oder ob wir uns verheddern und stecken bleiben." Sie selbst lässt keinen Zweifel an ihrem Optimismus und beendet ihre sehr kurze, nur rund 15-minütige Rede tatsächlich mit diesen Worten: "Ich bin überzeugt, wir schaffen das."

Philipp, einen angehenden Jus-Studenten, hat sie dennoch überzeugt: "Eine fachlich gute Rede, es war wichtig, dass sie auf die Kritik in der eigenen Partei eingegangen ist, weil die ist schon massiv und wird auch sehr durch die Medien befeuert." 20 Jahre alt ist er, vor fünf Jahren trat er "wegen Merkel" in die CDU ein. Er ist immer noch ihr Fan, aber er sagt auch: "In dieser Legislaturperiode muss sie ihre Nachfolge regeln, das erwarten vor allem wir Jungen in der Partei." Wer ihr nachfolgen soll, weiß er auch nicht: "Da müssen wir uns alle langsam was überlegen." (Birgit Baumann, 14.2.2018)