"Wollen S' den Punk sehen?", haben mich Erna und Erni, die Fleischerdamen vom Naschmarkt, vor ein paar Wochen gefragt und dann auf meinen verständnislosen Blick hin einen fast ausgewachsenen Hahn samt Kopf und Füßen hinter der Budel hervorgeholt. Wer auch immer ihn gerupft hatte, hatte den Kopf verschont und seinen prächtigen Federschmuck dort zurückgelassen: mindestens so lang wie mein Zeigefinger und rot und grün, darunter wölbte sich ein feister blassroter Kamm. Noch prächtiger als der Federschmuck waren seine Beine: kräftige, muskulöse Schenkel, die in dunkelgraue Füße übergingen. Das sah alles nach so einem perfekten Schmortopf aus, dass ich nicht widerstehen konnte und ihn gekauft habe.

Mehr Hahn im Topf
Foto: Tobias Müller

Wir haben ihn von Kopf bis Fuß verarbeitet. Das war gar nicht so leicht, weil ein Hahn ein anderes Kaliber ist als ein handelsübliches Huhn: Seine Knochen sind deutlich dicker und schwerer zu trennen, seine Muskeln fest, sie brauchen Zeit und Liebe, um so etwas Ähnliches wie weich zu werden. Die Anstrengung lohnt sich aber. Die dicken Beine (und den exzellenten Kamm) haben wir mit Süßkartoffeln und Rettich langsam geschmort und dann gierig verschlungen und abgenagt. Das sattgelbe Fett und die Haut haben wir im Topf ebenfalls langsam ausgelassen, das resultierende Hahnenschmalz hat noch wochenlang meine gebratenen Erdäpfel auf einen neuen Level gehoben und das Gänsefett in den hinteren Teil des Kühlschranks verbannt. Kopf, Brust, Flügel, Hals und Knochen haben wir in einen Topf gepackt und gute vier Stunden ausgekocht. Das Ergebnis war flüssiges Ambrosia.

(Anmerkung: Freund Heinrich, nie um Rezeptvorschläge verlegen, hatte vorgeschlagen, die Füße zu vakuumieren, sous vide zu garen und dann in heißem Öl zu poppen. Eine hervorragende Idee. Nachdem ich Phönixkrallen heiß liebe, rechnen Sie in den kommenden Wochen hier einmal mit einem allgemeinen Hühnerfuß-Blog.)

Foto: Tobias Müller

Hähne, zumal fast ausgewachsen, sind leider sehr schwer zu bekommen. In der großen kommerziellen Hühnerhaltung werden sie gleich nach (oder gar noch vor) dem Schlüpfen aussortiert und geschreddert, in der Biohaltung werden sie in Österreich nur für einige Wochen aufgezogen und in einigen Projekten verkauft – sie bleiben aber eher klein und für die Suppe etwas teuer. Wer einen größeren will, der kann sich fast nur vertrauens- und hoffnungsvoll an einen hühnerhaltenden Bauern wenden.

Mein sensationeller Hahn war ein knappes Jahr alt. Genauso wie das Kalb geschmacklich öde ist und aromatisch überhaupt nichts zu bieten hat im Vergleich zu einer alten Kuh, entwickelt auch das Hühnertier erst nach einiger Zeit sein eigenes, herrliches Aroma. In den sehr wenigen Wochen, die ein durchschnittliches Supermarkthuhn sein meist erbärmliches Leben verwirkt, geht sich das unmöglich aus. Das ist auch der Grund, warum Suppenhühner so viel mehr Geschmack haben. Das klassische Suppenhuhn ist ein in die Jahre gekommenes Legehuhn, das nicht mehr genug Eier legt. Die aus der Biolegehennenhaltung werden nach einem Jahr Legen (also mit knapp zwei Jahren, weil ein Huhn erst mit einem knappen Jahr zu legen beginnt) aussortiert und für einen Euro pro Huhn (sic) verkauft – allerdings selten an den Endverbraucher.

Was folgt, ist daher nicht nur ein Rezept (Geschmorte Hahnenschenkel), sondern ein Aufruf: Kaufen Sie Hähne und Suppenhühner! Und Falls Sie wissen, wo es gute gibt, posten Sie das hier, ich mache daraus eine handliche Liste. Um mit gutem Beispiel voranzugehen: Erni und Erna stehen jeden Freitag und Samstag mit ihrem Wagen am Naschmarkt. Und ab kommender Hühnersaison will auch der Schweineflüsterer Pfaller ein bisserl was von seinem exquisiten Geflügel verkaufen.

Geschmorte Hahnkeulen mit Süßkartoffeln und Riesenrettich

Das ist eine von sehr vielen Möglichkeiten, einen Hahn (oder ein Huhn oder jegliches andere Geflügel) zu verwenden. Das Gemüse richtet sich dabei nach dem, was Ihnen schmeckt und gerade vorhanden ist.

Hahn noch ganz ...
Foto: Tobias Müller

1 Hahn, idealerweise noch nicht ganz geschlechtsreif, aber ausgewachsen (Sporn noch nicht ausgebildet)

1 Rettich

1–2 große Süßkartoffeln

Einige Frühlingszwiebeln oder eine große Zwiebel

1 daumengroßes Stück Ingwer

Sternanis

Fischsauce

Den Hahn auseinandernehmen: Die ganzen Beine und die Flügel ablösen, von den Beinen die Füße abschneiden.

... und zerteilt. Hier handelt es sich allerdings um ein anderes Exemplar als auf Bild 1.
Foto: Tobias Müller

Etwaiges Fett aus der Bauchhöhle entfernen und mit überschüssiger Haut für später zur Seite legen. Den Kamm und die Hautstücke auf der Seite des Schnabels vom Kopf abschneiden und aufheben. Wer eine Wursthaut braucht, der löst den Hahnenhals aus und freut sich ob seines Glücks. Die Karkasse (gern samt Brust, an der ist eh nicht viel dran) wenn möglich nochmals in der Mitte teilen. In einer Pfanne im Backrohr bei 220 Grad etwa 30 Minuten rösten, bis sie Farbe genommen hat.

Foto: Tobias Müller

Das ausgelaufene Fett abgießen und zur Seite stellen. Die Karkasse mit einigen Frühlingszwiebeln, einem daumengroßen, angedrückten Stück Ingwer und, wer mag, einem Sternanis in einen Kochtopf geben. Mit kaltem Wasser bedecken, zum Sieden bringen und vier Stunden ziehen lassen. Falls vorhanden, Magen und Herz mitkochen, die Leber extra in etwas Hahnenfett kurz braten und als Snack genießen. Suppe durch ein Sieb abgießen. Pedanten klauben nun das Fleisch von der Karkasse und verwenden es für einen Salat, weniger motivierte Hahnenköche werfen den ausgekochten Hahn weg.

Währenddessen in einer Pfanne bei niedriger Hitze das überschüssige Fett und die Haut auslassen. Wenn sich alles verflüssigt hat, zum Bratfett gießen und aufheben. Sie werden es ganz bestimmt gut brauchen können.

Rettich, Süßkartoffel, Frühlingszwiebel.
Foto: Tobias Müller

In einem schweren Bräter etwas Hahnenfett erhitzen und die Beine und Flügel darin auf beiden Seiten ordentlich anbraten, bis sie Farbe genommen haben, und herausnehmen.

Foto: Tobias Müller

Die Süßkartoffel und den Rettich in etwa gleich große Stücke schneiden. Ein paar Frühlingszwiebeln in den Bräter werfen, Rettich und Kartoffeln darüberschichten und die Beine und Flügel darauflegen.

Foto: Tobias Müller

Mit Hahnensuppe aufgießen, sodass die Beine unten in der Flüssigkeit liegen. Zur Sicherheit einen Schuss Fischsauce dazugeben. Den Hahnenkamm und die Schnabelhautstücke dazulegen.

Deckel drauf, bei 180 Grad eine Stunde ins Rohr, herausnehmen, und fünfzehn Minuten in den Säften rasten lassen.

Hahnenschenkel mit Rettich und Süßkartoffeln.
Foto: Tobias Müller

Den Hahnenkamm selbst noch in der Küche naschen, den Rest den Gästen servieren. (Tobias Müller, 18.2.2018)

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