Einblick in die Heidi Horten Collection, die derzeit im Leopold-Museum zu sehen ist. Ausstellungsansicht mit Roy Lichtensteins "Forest Scene" (1980) und dem surrealen Monsteraffen des Ehepaars Lalanne (2005/08).

Foto: APA / Roland Schlager

1960 lernte die Wienerin Heidi Jelinek ihren späteren Ehemann, den Kaufhauskönig Helmut Horten, kennen. Das erwirtschaftete Vermögen war die Grundlage für die Kunstsammlung.

Foto: Heidi Horten Collection

Marc Chagalls "Les Amoureux" (1916), das erklärte Lieblingsbild Heidi Hortens, das sie 1996 bei Sotheby’s London für umgerechnet 3,04 Millionen Euro netto (exkl. Aufgeld) ersteigerte.

Foto: Heidi Horten Collection

"Wow!"-Making-of: Kuratorin Agnes Husslein-Arco und Hans-Peter Wipplinger (Direktor Leopold-Museum) beim Ausstellungsaufbau.

Foto: Heidi Horten Collection Instagram

Abtransport von Roy Lichtensteins großformatigem "Forest Scene" – "und wir wissen, es gibt hier einen Chandelier", warnt Agnes Husslein aus dem Off.

Wien – Als das Leopold-Museum im Dezember sein Jahresprogramm für 2018 verlautbarte, hatte man tatsächlich einen Coup parat, der dem Belvedere jahrelang verwehrt geblieben war. Von Mitte Februar an (bis 29. 7.) gewährt Milliardärin Heidi Horten erstmals öffentlichen Einblick in ihre private Kunstsammlung: Das Museum zeigt 175 Werke, die sonst ihre Domizile in New York, London, Kitzbühel oder am Wörthersee schmücken – nur eine Auswahl, denn insgesamt nennt sie rund 700 Gemälde, Grafiken und Skulpturen ihr Eigen. "Eine der bedeutendsten europäischen Privatsammlungen", attestiert Agnes Husslein-Arco.

Stolz schwingt unüberhörbar mit, schließlich beriet sie ihre Freundin über Jahrzehnte bei Ankäufen. Eine profitable Zweckgemeinschaft: Hier eine an Kunst interessierte Milliardärin, dort eine studierte Kunsthistorikerin und in der Szene bestens etablierte Kunstmanagerin. Der Karriere Hussleins, insbesondere in ihrer Zeit als Geschäftsführerin von Sotheby's Österreich (1981–2000), waren Hortens Shoppingtouren durchaus förderlich. Eine vermögende Klientin, die, wie im Juni 1996, schon einmal 34 Werke für 22 Millionen Dollar in einem Schwung ersteigert – derlei goutierte die Chefetage des Auktionshauses selbstredend.

Die internationalen Chronisten des Kunstmarktes verstiegen sich damals in Spekulationen über den mysteriösen Käufer. Eine Telefonbieterin, bei der es sich um "Mrs. Charmat" handle, wähnte die New York Times treffend, Witwe eines Kaufhausmoguls, seit 1994 mit einem Jean-Marc Charmat verheiratet. Die Ehe mit dem französischen Blumengroßhändler ward 1998 wieder geschieden.

Ganze Lkw-Ladungen

Das Interesse an Kunst blieb, die geschäftliche wie freundschaftliche Verbindung zur kundigen Beraterin ebenso. Bisweilen wurden ganze Lkw-Ladungen gen Wörthersee transportiert und unter der Regie Hussleins in den Räumen der Villa verteilt, die einst ein Schloss war. Bis Helmut Horten die Liegenschaft erwarb und im Zuge eines Umbaus die oberen Geschoße abreißen ließ.

Über die Jahre wuchs die Kollektion stetig, auch während Hussleins Belvedere-Direktion (2007–2016), regelmäßig fanden Meetings in Hortens Wiener Büro oder ihrem Penthouse statt. Mit dem Ende dieser Ära wurden die Leihgaben abgezogen. Als das Finanzministerium im Februar 2017 Husslein in den Vorstand der Leopold-Museum-Privatstiftung berief, rieb sich Hans-Peter Wipplinger vermutlich schon die Hände. Der Quotentraum jedes heimischen Museumsdirektors ging jedenfalls in Erfüllung. Ob man mit der von Husslein kuratierten Schau und nachfolgenden die magische Grenze von 400.000 Besuchern überschreitet, wird sich weisen.

Wow!, der Ausruf der Anerkennung ist bereits zementiert – über den Titel der Ausstellung, die Respekt und Beifall einfordert, noch bevor man das erste Kunstwerk aus dem Besitz einer der reichsten Österreicherinnen erblickt. Entgegen allfälligen Vermutungen – Achtung, humoristische Plattitüde – leitet sich der Terminus "horten" freilich nicht vom Familiennamen hab. Hier wurden mit allem gebotenen Ernst Meisterwerke des 20. Jahrhunderts und jüngere gesammelt.

A wie Appel bis W wie Wurm

Das erschließt sich in der Ausstellung sehr viel deutlicher als über den begleitenden Katalog. Letzterer reiht die Künstler nach Alphabet, von A wie (Karel) Appel bis W wie (Erwin) Wurm, womit sich Werkgruppen, wie die beeindruckende Parade deutscher Expressionisten, irgendwo zwischen den knapp 550 Seiten verlieren. Ebenso der imponierende Umfang abstrakter Kunst, an Arbeiten von Yves Klein, Lucio Fontana oder Cy Twombly, einen kleinen Mark Rothko nicht zu vergessen: Sie bildeten den standesgemäßen Rahmen für das Galadinner am vergangenen Dienstag, an Heidi Hortens 77. Geburtstag.

Das Defilee setzte sich mit einer VIP-Preview fort, das mediale begann schon vor Wochen. Sei es über Social-Media-Kanäle, die den Abtransport von Roy Lichtensteins großformatiger Forest Scene (1,48 Mio. Euro netto, Sotheby's, November 1996) verewigten, inklusive Hussleins Warnung aus dem Off – "und wir wissen, es gibt hier einen Chandelier". Sei es über devote Magazinberichte, illustriert etwa mit einem Foto der Milliardärin vor Gustav Klimts Gemälde Kirche in Unterach am Attersee, darunter reiht sich auf der Kommode eine Fotoserie der Hausherrin mit Udo Jürgens.

Eine solche Klimt-Landschaft soll ein langgehegter Wunsch gewesen sein, der erst vor wenigen Jahren mit einem Ankauf aus steirischem Privatbesitz in Erfüllung ging. Dem Vernehmen nach für einen Preis von etwa 20 Millionen Euro, "nur", da mit einer wertmindernden Ausfuhrsperre belegt.

Der Versicherungswert der Horten Collection ist übrigens ein gut gehütetes Geheimnis, insgesamt soll er mittlerweile irgendwo zwischen 300 und 500 Millionen Euro liegen. Laut Forbes war Heidi Horten 2017 2,8 Milliarden Dollar schwer. Ein Kapital, das nicht nur einen luxuriösen Lebenswandel garantiert, sondern auch das Sponsoring des Klagenfurter Eishockey-Vereins oder die Förderung medizinischer Forschungseinrichtungen durch die Helmut-Horten-Stiftung ermöglicht. Ein Vermögen, dessen Basis aus der NS-Zeit stammt.

Arisierung und Steuerflucht

"Das ist Horten!", so stellte sich der Jungunternehmer 1936 mit ganzseitigen Inseraten in der NS-Parteizeitung vor, als er sein erstes Kaufhaus erwarb, dessen Eigentümer flüchten mussten. "Jawohl", ließ er verlauten, "das Alsberg-Haus" sei "in arischen Besitz übergegangen", wie der Spiegel 1987 in Erinnerung rief. "Repatriierung deutschen Vermögens" nannte er weitere Akquisitionen in den Nachkriegsjahren. Der damit einhergehende Profit ermöglichte in weiterer Folge auch den Aufbau dieser Kunstsammlung.

Ein Makel, der bereits mediale Kritik (Profil, Kurier) hervorrief. Berechtigt, zumal es gerade dem Leopold-Museum und seinen Provenienzcausen gut anstünde, derlei nicht zu ignorieren. Eine von Wipplinger im Standard-Gespräch avisierte Stellungnahme für Besucher der Ausstellung blieb bislang aus. Der Pressetext verweist auf "eine wissenschaftliche Aufarbeitung von Historikern" von Helmut Hortens Leben und Wirken. Unter der angeführten Webseite preist indes der Journalist einer deutschen Lokalzeitung "eine der bedeutendsten Karrieren des deutschen Wirtschaftswunders" samt diversen Meilensteinen an.

Immerhin findet Hortens lukrativster Coup Erwähnung, wenngleich ohne die imposanten Zahlen. 1969 verkaufte er für 875 Millionen Mark Aktien seiner Kaufhäuser und verstand es, eine Gesetzeslücke zu nutzen. Den Behörden entgingen nicht weniger als 450 Millionen Mark. Eine "Lex Horten" verhinderte Nachahmungstäter. Den Titel Steuerflüchtling hatte sich der 1987 Verstorbene redlich verdient. Auch das haftet an den nun öffentlich gezeigten Werken. Insofern entbehrt es nicht einer gewissen Pikanterie, sollte das im Eigentum des Finanzministeriums befindliche Winterpalais des Prinzen Eugen doch noch irgendwann, und sei es auch nur temporär, zu einem Showroom der Horten Collection umfunktioniert werden. (Olga Kronsteiner, 16.2.2018)