Vizekanzler Heinz-Christian Strache im Rahmen des Politischen Aschermittwochs der FPÖ.

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Ist diese türkis-blaue Koalition eine demokratische Mitte-rechts-Regierung – oder versucht sie nach dem Vorbild Ungarns und Polens autoritäre Strukturen zu schaffen, in denen weder eine unabhängige Justiz noch selbstbewusste Medien die eigene Macht beschneiden? Die immer schrilleren Angriffe der FPÖ auf den ORF lassen das Letztere befürchten. Parteichef Heinz-Christian Strache ließ in seiner Aschermittwochsrede in Ried keinen Zweifel: Der radikale Umbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist ein zentrales Vorhaben der zweiten Regierungspartei.

Nun gehört die Gefügigmachung der Medien, und allem voran des staatlichen Fernsehens, zum Instrumentarium jeder Regierung, für die Demokratie nur ein Mittel zum Zweck ist. Auch früheren österreichischen Bundesregierungen waren Umfärbungsversuche des ORF nie ganz fremd. Die Schüssel-Ära begann ebenfalls mit blauen Angriffen auf den Küniglberg. Dem folgte eine schwarz dominierte Führung unter Generaldirektorin Monika Lindner und Chefredakteur Werner Mück, die als bleierne Zeit in die ORF-Annalen einging. Es hat der FPÖ und der ÖVP letztlich nichts genützt: Der Aufstand gegen Mück und Lindner und Alexander Wrabetz' Wahl zum ORF-Chef war das politische Vorbeben für Wolfgang Schüssels Wahlniederlage 2006.

Aggressivere Rhetorik

Heute ist die Rhetorik der FPÖ noch aggressiver als zu Jörg Haiders Zeiten. Sie nutzt nicht nur jeden Fehler von ORF-Reportern aus – und diese sind im journalistischen Alltag unvermeidlich –, sondern bedient sich auch geschickt der sozialen Medien, die es damals noch nicht gegeben hat. Die starke Internetpräsenz der Partei lässt den Verdacht aufkommen, dass es der FPÖ diesmal weniger um die Kontrolle des ORF als um seine Zerstörung geht. Zuerst werden die "Zwangsgebühren" gekippt, und dann wird ein Ersatz durch eine direkte Budgetfinanzierung blockiert. Wer braucht schon einen Rundfunk, wenn man eine Dreiviertelmillion Facebook-Fans hat? Und wenn der Vizekanzler in einer angeblichen Satire ZiB 2-Moderator Armin Wolf als Lügner brandmarkt, dann ist es wohl sein Ziel, den hartnäckigsten Interviewer des Landes mundtot zu machen.

Dass diese Taktik aufgeht, ist zweifelhaft. Die ÖVP hat wenig Interesse an einem ausgehungerten Rundfunk, dem jede Glaubwürdigkeit fehlt. Wenn die Schweizer Wähler am 4. März in einer Volksabstimmung für die Beibehaltung von Rundfunkgebühren stimmen, dann geht der FPÖ, die ja sonst die direkte Demokratie verherrlicht, ein wichtiges Argument verloren. Und so sehr das Schimpfen auf den ORF zum Stammtischritual gehört, bleibt das nationale Fernsehen mit all seinen Schwächen doch eine der populärsten Institutionen des Landes. Freilich nicht bei der blauen Basis: Dort kommt das Gekeife gegen das links-linke Journalistenpack gut an.

Umso wichtiger wäre es, dass nicht nur die ÖVP-Spitze sich jetzt hinter einen unabhängigen Rundfunk stellt, sondern auch Kräfte in der Zivilgesellschaft dies tun – per Petition, Volksbegehren oder auf andere Weise. Es muss verhindert werden, dass unter dem Deckmantel des zweifellos vorhandenen Reformbedarfs die stärkste mediale Bastion des Landes sturmreif geschossen wird. Wer wissen will, ob die Regierung Kurz liberal oder autoritär ist, sollte auf Folgendes achten: Werden sich Strache und Co in einem Jahr immer noch den Fragen Armin Wolfs im "ZiB 2"-Interview stellen müssen? (Eric Frey, 15.2.2018)