Strache 2004 bei "Heldeneherung" von Burschenschaftern: Die alten Verbündeten rücken den heutigen Vizekanzler in ein schlechtes Licht.

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Wien – Es ist eine Farce: Dies ist das wohl häufigste Urteil, das STANDARD-Poster über die von der FPÖ sich selbst verordnete Aufarbeitung der eigenen Geschichte fällen. So wie das Projekt aufgesetzt sei, müssten sich die Untersucher selbst zum Gegenstand der Untersuchung machen, heißt es etwa – oder, wie SPÖ-Chef Christian Kern spottet: "Im Vergleich zu dieser Historikerkommission ist der Dackel, der auf die Wurst aufpasst, eine sichere Bank."

Also alles nur eine Schmierenkomödie? Anton Pelinka schließt sich diesem Tenor nicht an. Weit hätten sich Parteichef Heinz-Christian Strache und Co vorgewagt, indem sie die Kooperation mit kritischen Geistern bis hin zum Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes versprochen hatten, sagt der renommierte Politologe: "Die FPÖ kann nun nicht mehr zurück und einfach nur Wischiwaschi präsentieren. Sonst ist sie blamiert."

Strache habe offenbar erkannt, dass er diesen Preis zahlen müsse, um im In- und Ausland "salonfähig" zu werden, glaubt Pelinka: "Ich halte das für einen sehr positiven Schritt. Doch möglicherweise ist sich Strache nicht ganz bewusst, was er damit lostritt." Eine kritische Aufarbeitung werde das Selbstverständnis der Partei infrage stellen, mit Widerstand sei zu rechnen. "Die FPÖ hat keine braunen Flecken, sondern ein braunes Gewand", sagt der Experte. "Sie ist eine Partei, die Ex-Nazis für Ex-Nazis gegründet haben."

Von der SS an die FPÖ-Spitze

Pelinka spielt auf die blauen Gründungsväter an. Der erste FPÖ-Chef der Geschichte, Anton Reinthaller, war ein nach dem Krieg verurteilter Ex-SS-General. Der zweite, Friedrich Peter, hatte als Obersturmführer einer Waffen-SS-Einheit fungiert, die in Russland systematisch Juden und Kriegsgefangene ermordete (woran er nie beteiligt gewesen sein wollte). Peter selbst leitete in der FPÖ eine Distanzierung vom braunen Erbe ein, ein späterer Obmann, Norbert Steger, versuchte es Anfang der Achtziger sogar mit einem liberalen Anstrich. Doch überlebt hat NS-Nostalgie in den deutschnationalen Kernschichten bis heute.

Jörg Haider, selbst Sohn eines "Ehemaligen", hebelte Steger 1986 nicht nur mithilfe des rechten Flügels aus, sondern bediente diesen auch mit rhetorischen Ausflügen ins einschlägige Gedankengut. Bescheiden wollte sich der Wahlkärntner mit der ewigen Außenseiterrolle des erfolgreichen, aber von der Macht ausgeschlossenen Führers des dritten Lagers jedoch nicht. Ihm schwebte eine regierungsfähige Mittelschichtspartei vor – frühere Verbündete standen dem entgegen.

Eine Absage an die Deutschtümelei brachte er in den Neunzigern noch durch, mit der Regierungsbeteiligung ab 2000 geriet die Balance zwischen alten Kadern und neuen Wählern, ideologiefesten Burschenschaftern an der Basis und karriereorientierter Buberlpartei an Haiders Seite aber aus dem Lot. 2005 schließlich die Spaltung: Haider versuchte sein Glück mit dem (vordergründig) softeren Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), das deutschnationale Milieu schlug sich zum Großteil auf Straches Seite.

Anlegen mit der Machtbasis

Die "waffenstudentischen Verbindungen" seien damals, als die FPÖ auf dem Boden lag, entscheidender Rückhalt für den Wiederaufbau der Partei gewesen, hat Strache selbst bekannt. Das gilt bis heute: Völkisch Korporierte stellen – inklusive des Obmanns selbst – nicht nur in den Parteigremien die Mehrheit, sondern auch einen großen Teil des Personals in den blau besetzten Ministerien.

Das macht Straches Übung so schwierig: Soll die angekündigte Aufarbeitung ernst zu nehmen sein, kommt er an jenen, die ihn groß gemacht haben, nicht vorbei. Denn ohne Verbindungsbrüdern pauschal etwas zu unterstellen – mit rechtsextremen Anwandlungen sind Burschenschafter nicht erst seit der Affäre um das Judenvergasungslied bei der Germania zu Wiener Neustadt aufgefallen.

Wie weit kann und darf der in jungen Jahren selbst in rechtsextremen Kreisen vertretene FPÖ-Chef gehen, um sich das Image des respektierten Vizekanzlers zu erkaufen? Ex-Parteikollege Ewald Stadler malt prompt einen Aufstand der Burschenschafter an die Wand, sollte Strache Gesinnungsbrüder opfern; ein anderer Altvorderer hingegen hält dieses Szenario für "eine Lachnummer". Abgesehen davon, dass Stadler keine Rolle spiele, werde Strache nie eine Abnabelung à la Haider wagen, glaubt Andreas Mölzer, Verbindungsmitglied und nun in der blauen Steuerungsgruppe für die Aufarbeitung. Strache sei in der Szene "emotional viel stärker drin" als einst der "Personen und Ideen gegenüber illoyale" Haider, sagt Mölzer: "Er wird sich hüten, sich von seinen engen Verbündeten zu distanzieren." (Gerald John, 17.2.2018)