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In den USA sind schwere Waffen leicht zu haben – im Bild AR-15-Sturmgewehre. Das ist der Geschichte und dem Lobbyismus geschuldet.

Foto: getty/GEORGE FREY

Oliver Winchester ließ Oberhemden nähen, bevor er die Branche wechselte und in Connecticut eine Waffenfabrik gründete. Im Jahr 1857 war das, und die Aufträge kamen vom Staat. Das Gros seiner Gewehre ging an die Regierung in Washington, nicht an Privatleute. Im amerikanischen Bürgerkrieg scheffelte Winchester ein Vermögen.

Als daheim wieder Frieden herrschte, suchte er sich Märkte in Übersee. Wieder verkaufte er in erster Linie an Staaten, an Australien, Frankreich, Preußen, das Osmanische Reich. Waffen zum Symbol privater Freiheit zu verklären, wie es heute in den USA geschieht, wäre ihm nicht in den Sinn gekommen.

Flinte wie Pflug

Anfangs, schreibt die Historikerin Pamela Haag in ihrem Buch The Gunning of America, hätten Fabrikanten wie Winchester ihre Produkte noch ohne jeden Glorienschein vermarktet. Die Flinte sei eine Ware gewesen, wie ein Pflug, "kein kulturell aufgeladenes Objekt". Das änderte sich mit der fortschreitenden Industrialisierung, der Urbanisierung des Landes. Waffen waren nun nichts mehr, was man ab und an brauchte – um eine Ranch zu verteidigen oder das Land indianischer Ureinwohner zu erobern. Waffen sollten geliebt werden, schreibt Haag.

Um die Liebe zu entfachen, brauchten die Lieferanten Legenden, am liebsten Cowboys aus dem Wilden Westen, ob sie nun echt waren oder nicht. In populären Groschenromanen siegte fortan das Gute über das Böse, indem es sich einer Winchester bediente. Oder des Revolvers aus den Werkstätten von Samuel Colt.

Cowboys als Mythengestalten

In Wahrheit waren sie schlecht bezahlte Akkordarbeiter, die Cowboys, die Longhorn-Rinder von Texas hinauf nach Kansas trieben, zu übel beleumdeten Umschlagplätzen wie Dodge City. Erst die verträumten Städter des Ostens, dozierte der texanische Geschichtsprofessor Walter Prescott Webb, hätten strahlende Lichtfiguren aus ihnen gemacht. Schauspieler wie Humphrey Bogart gaben den vermeintlichen Mythengestalten später prägnante Gesichter, damit war die Heldenstory perfekt.

Dass nun jeder Bürger – der Freiheit wegen – ein Grundrecht auf eine Waffe hat, diese Sicht ist relativ neu. Die National Rifle Association (NRA), der fünf Millionen Mitglieder zählende Verband der Schusswaffenanhänger, beruft sich auf das Second Amendment in der Verfassung. Das besteht aus einem einzigen Satz, der durchaus verschiedene Auslegungen zulässt.

"Da eine wohlorganisierte Miliz für die Sicherheit eines freien Staates notwendig ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden", formulierte es James Madison, einer der Gründer der Republik und deren prominentester Verfassungsrechtler. Die NRA stellt den zweiten Teil des Paragrafen heraus, während ihre Kritiker den ersten betonen.

1791, als die Zeilen zu Papier gebracht wurden, war die Landesverteidigung maßgeblich Sache von Milizionären, nicht der Armee, deren Macht Leute wie Madison begrenzen wollten, zumal sie wie ein Relikt aus dem alten Europa wirkte. Nur bewahrte man Waffen zumeist nicht daheim im Schrank auf, sondern in gut bewachten Arsenalen.

Pro-Waffen-Wende kam 1982

Die Wende im Streit um die Auslegung des zweiten Zusatzes kam erst zwei Jahrhunderte später in Form einer Studie, die Orrin Hatch, ein republikanischer Senator aus Utah, in Auftrag gegeben hatte. 1982 gelangte der parlamentarische Unterausschuss für Verfassungsfragen zu dem Schluss, dass die Autoren des Second Amendment Waffenbesitz als "individuelles Recht des amerikanischen Bürgers, um sich, seine Familie und seine Freiheiten zu schützen" verstanden hätten.

Auch die NRA, 1871 in New York von einem Anwalt und einem Journalisten gegründet, verstand sich zunächst als eine Art Schützenverein, der Jäger, Sportschützen und Sammler beriet. Erst Ende der Sechzigerjahre betrat sie die politische Bühne, in der Rolle der lautstarken Verfechterin des Prinzips "Freie Waffen für freie Bürger".

Spenden für Wahlkampf

Sie begann damit, Wahlkämpfern Spenden zukommen zu lassen, 2016 im Falle Donald Trumps rund 20 Millionen Dollar. Wayne La Pierre, ihr heutiger Direktor, wirft bei jeder Gelegenheit einen Slogan in die Debatte, der an die Winchester-Werbung der Groschenromane erinnert. "Das Einzige, was einen bösen Mann mit einer Waffe aufhalten kann, ist ein guter Mann mit einer Waffe." (Frank Hermann, 16.2.2018)