Die Hausherrin im Linzer Häfn wacht über 470 Inhaftierte und 149 Beamte, die Sehnsucht nach dem Stubaital wird am Wochenende gestillt.

Werner Dedl

STANDARD: Sie haben Führungsverantwortung in einer Männerdomäne übernommen. Wie schwierig ist es, als Frau in der Häfn-Hierarchie ganz oben zu stehen?

Hofer: Also nach 22 Jahren im Strafvollzugssystem fällt mir das nicht schwer. Ich hatte drei Auslandseinsätze im Zuge der United Nations Mission im Kosovo. Ich war fast fünf Jahre in Ex-Jugoslawien, direkt nach dem Krieg. Wir haben Gefängnisse aufgebaut und bildeten Justizwachebeamte aus. Ich habe also ausreichend Erfahrung. Aber natürlich braucht es ein gehöriges Maß an Selbstbewusstsein. Das braucht aber ein Mann in diesem Job ebenso.

STANDARD: Sie arbeiten in einem buchstäblich geschlossenen System. Eingangskontrollen, Gitter vor den Fenstern, versperrte Türen. Sehnen Sie sich nicht manchmal nach mehr Offenheit im Job?

Hofer: Nein. Man gewöhnt sich sehr rasch an den Ablauf in einer Justizvollzugsanstalt. Es ist heute ein Job für mich wie jeder andere. Ich sehe da keine großen Unterschiede etwa zu einem Bankangestellten.

STANDARD: Dann darf ich Ihnen einen groben Unterschied nennen: Der Gefängnisjob birgt zahlreiche Gefahren: Seit 2014 haben sich die Angriffe auf Strafvollzugsbeamte fast verdreifacht. Da steigt der Bankangestellte besser aus, oder?

Hofer: Ich kenne die Zahlen nicht und kann nur sagen, dass ich in 22 Jahren nicht einmal einem Angriff auf meine Person ausgesetzt war.

STANDARD: Die Zahlen hat jüngst die Justizwachegewerkschaft präsentiert – und man fordert, wirksame Maßnahmen gegen die Gewalt zu erarbeiten. Sie bleiben dabei, dass es keine Probleme gibt?

Hofer: Ich habe nicht gesagt, dass es keine Probleme gibt. Wir haben schwierige Insassen, und vor allem die Zahl der drogenabhängigen und psychisch kranken Häftlinge steigt. Dazu kommen die Vielzahl der unterschiedlichen Kulturen und die Sprachbarrieren im normalen Vollzug. Das alles ist natürlich eine große Herausforderung. Und wir haben leider nicht die Anzahl an Beschäftigungsmöglichkeiten, die wir brauchten, um das Aggressionspotenzial entsprechend zu reduzieren. Unser größtes Problem ist doch vielmehr, dass man draußen nur über uns redet, wenn es ein Problem gibt. Faktum ist, dass wir etwa in Linz kaum direkte Angriffe auf Beamte haben. Wobei aber jeder verletzte Kollege einer zu viel ist.

STANDARD: Dennoch sucht die Justizwache händeringend Personal. Aktuell sind 200 Planstellen offen – warum ist der Job so unbeliebt?

Hofer: Schon als Kind spielt man eben nicht Räuber und Justizwachebeamter, sondern Räuber und Gendarm. Es ist leider immer noch ein weitgehend unbekannter Beruf, und wir haben erst jetzt damit begonnen, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Unsere Arbeit findet eben hinter Mauern statt. Die Justizanstalt Linz ist eine kleine Stadt in der Stadt. Es ist sicher ein her ausfordernder Beruf, und dementsprechend schwierig sind daher auch unsere Aufnahmetests.

STANDARD: Sollte man da nicht die Ansprüche herunterschrauben? Im Bereich der Polizei scheitern sieben von acht Bewerbern schon im Vorfeld an den Kriterien – sei es beim Sporttest oder beim Psychologen.

Hofer: Die Vorgaben der Polizei kann ich nicht beurteilen. Für den Bereich der Justizwache ist ein Herunterschrauben der Ansprüche aus meiner Sicht definitiv keine Option. Wir arbeiten rund um die Uhr in einem hochsensiblen Gefüge und brauchen dafür Experten mit einer sehr stabilen Persönlichkeit. Glauben Sie mir eines: Es ist nicht einfach, täglich Menschen einzusperren.

Standard: Faktum ist, dass die heimischen Gefängnisse überfüllt sind und das Personal fehlt. Hat man nicht in den letzten Jahren den Strafvollzug kaputtgespart?

Hofer: Nein. Es verändert sich die Gesellschaft und damit auch un sere Klientel. Aber wie bereits erwähnt: Ein Problem im Gefängnis ist das Beschäftigungsangebot. Ich kann keine Tischlerei mehr betreiben, weil ich keine passenden Insassen dafür bekomme.

STANDARD: Weil keine gelernten Tischler mehr straffällig werden?

Hofer: Nein. Vielmehr haben wir heute andere Häftlinge. Ich muss das Angebot bei vielen Insassen deutlich niederschwelliger ansetzen. Ich kann heute nicht mehr so einfach sagen: Da sind die Köche für die Gefängnisküche, da die Tischler für die Tischlerei, und schon läuft der Betrieb. Und dazu kommt, dass es heute alternative Vollzugsmaßnahmen gibt. Wer heute einen Beruf und eine Strafe von bis zu zwei Jahren ausgefasst hat, bekommt oft eine Fußfessel. Es gibt diese gesunde Mischung in den Haftanstalten nicht mehr. Und das stellt uns natürlich vor große Herausforderungen.

STANDARD: Braucht es mehr Geld für den Maßnahmenvollzug?

Hofer: Ich würde lügen, wenn ich Nein sagte. Jeder hätte gerne mehr Geld. Aber wir schaffen es mit dem, was im Moment da ist.

STANDARD: Diskutiert wird über höhere Strafen bei Gewalt- und Sexualdelikten. Wie stehen Sie dazu?

Hofer: Da fühle ich mich nicht ausreichend kompetent, die Frage zu beantworten.

STANDARD: Sie sind seit 22 Jahren mit dem Strafrecht konfrontiert.

Hofer: Ich sehe mich als Strafvollzugsexpertin. Mit der Frage nach höheren Strafen müssen sich Strafrechtsexperten beschäftigen.