May: "Europas Sicherheit ist unsere Sicherheit. Unsere Werte bleiben dieselben."

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Kurz will die militärische und polizeiliche Zusammenarbeit in Europa stärken.

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München – Samstag war Europatag auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Europäische Außenminister, Regierungschefs und Kommissionsmitglieder gaben einander im Bayerischen Hof gewissermaßen die Klinke in die Hand. In den Reden und Debatten ging es um die Zukunft der Union – gemeinsam für 27 Mitglieder und eher einsam für die ausscheidenden Briten.

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel wies auf "massive Veränderungen in der Weltordnung" hin. Aus diesem Grund müssten die USA und Europa zusammenstehen, auch wenn es dieser Tage mitunter schwierig sei, die US-Positionen nachzuvollziehen ("Sollen wir auf Worte, Taten oder Tweets achten?"). Einigkeit müsse es auch in Europa geben. Die EU sei nie als Weltmacht konzipiert worden, sie sei ein Friedensprojekt, das in nur einer Generation die innere Aussöhnung eines einst kriegerischen Kontinents geschafft habe.

Gabriel: Ohne Europa ist alles nichts

Daran, so Gabriel, müsse man nun anknüpfen. Zum Beispiel mit einer UN-Friedensmission in der Ukraine, mit der sich nun auch die Deutschen anzufreunden schienen. Oder mit einem Gegenentwurf zur weltpolitischen Strategie Chinas, die wenig mit Freiheit und Demokratie zu tun habe. "Europa ist nicht alles, aber ohne Europa ist alles nichts", erklärte der deutsche Außenminister. Und er rief akkurat einen amerikanischen Gründervater, Benjamin Franklin, als Kronzeugen für die Einheit Europas auf: "We must all hang together or we will all hang seperately."

May: Unsere Werte bleiben dieselben

Das verstand die nachfolgende Rednerin ohne Übersetzung. Auch die britische Premierministerin Theresa May beschwor die gemeinsamen Werte Europas, die bestehen bleiben würden, auch wenn das Vereinigte Königreich aus der Europäischen Union ausscheide. "Europas Sicherheit ist unsere Sicherheit. Unsere Werte bleiben dieselben", sagte May. Auf dieser Basis müsse man einen praktische und pragmatische Vorgangsweise wählen. Sie schlug eine neue Sicherheitspartnerschaft zwischen "dem Drittstaat" Großbritannien und der "verbleibenden Union" vor. Bis Ende 2019 solle das Abkommen stehen.

Diese Partnerschaft soll die Justiz- und Polizeizusammenarbeit umfassen, die Rüstungskooperation, natürlich der Binnenmarkt, Cybersicherheit und vieles mehr. Mays Rede klang nach einer Beschreibung des zukünftigen Status der Briten als EU-Mitglieder außerhalb der Union. Danach gefragt, ob es unter diesem Umständen nicht gleich klüger sei, gleich in der EU zu bleiben, erklärte die Premierministerin: "Der Brexit wird stattfinden, es wird kein zweites Referendum geben. Eine neue Partnerschaft ist in unser beider bestem Interesse."

Juncker: Gefahren am Balkan

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker mahnte zu vertiefter Verteidigungskooperation in der Union, vor allem in der Koordination der Rüstungsbemühungen. Zudem warnte Juncker vor einer zunehmend gefährlichen Situation auf dem Balkan: "Dort könnten wir wieder mit Zuständen wie in den 1990er Jahren konfrontiert sein." Das Prinzip der Einstimmigkeit in der EU müsse jedenfalls auch im Bereich Außenpolitik fallen, Brüssel müsse handlungsfähiger werden.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki rief die aggressive Politik Russlands in Europa in Erinnerung. Man brauche weniger Thinktanks, dafür aber mehr "steel tanks", um dieser Aggression zu begegnen – im kinetischen Bereich, aber auch in der virtuellen Realität. Ihn wundere, dass etwa die Deutsche laut Umfragen dem Russen mehr vertrauen würden als den Amerikanern. Die sicherheitspolitische "Trittbrettfahrerei" einiger Länder bei der Nato verurteilte er.

Kurz: Jüdisch-christliches Europa verteidigen

Bundeskanzler Sebastian Kurz machte seine Vision von Europa ("In Vielfalt geeint") klar: Europa müsse erstens eines ohne Grenzen nach innen sein und das könne nur erreicht werden, indem man die Grenzen nach außen schütze. Die militärische und polizeiliche Zusammenarbeit in Europa müsse zweitens noch intensiver werden. Die Union müsse überdies schlanker werden. Der Mehr Deregulierung müsse her. Die Digitalisierung müsse viel stärker vorangetrieben werden, Umwelt- und Klimaschutz wieder großgeschrieben. Und zuletzt: Das christlich-jüdische und durch die Aufklärung geprägte Europa soll verteidigt werden.

Österreichischer UN-Einsatz in der Ukraine möglich

Was die EU-Sicherheitspolitik betreffe, sagte Kurz, sei Österreich als neutraler Staat in einer besonderen Situation. Nichtsdestotrotz sei Wien bereit, seinen Teil dazu beizutragen. Etwa bei einem möglichen UN-Friedenseinsatz in der Ukraine. Die Permanente Strukturierte Zusammenarbeit der EU (Pesco) sei ein wesentlicher Schritt in diese Richtung. Die Union müsse "Weltpolitikfähigkeit" zeigen, kommentierte Kurz später vor Journalisten die Forderungen Junckers, nach der Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips. Allerdings müssten auch die großen EU-Staaten damit aufhören, in außenpolitischen Fragen vorzupreschen. (Christoph Prantner aus München, 17.2.2018)