Die Preisfrage: Wäre Janine Flock bei einer weniger mühsamen Vorbereitung zwei Hundertstel schneller gewesen?

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Alpensia Pyeongchang – Geht es nach den Wünschen der Politik, dann soll ein Langzeitproblem im österreichischen Sport gelöst werden. Im österreichischen Bob- und Skeletonverband (ÖBSV) rumort es seit langer Zeit. Finanzprobleme, fehlende Strukturen, mangelnde Unterstützung der Athleten. Janine Flock war nur eine von mehreren Athleten, die sich darüber immer wieder (vergeblich) beklagt haben.

Selbst der erste Skeleton-Olympia-Medaillengewinner Österreichs, Martin Rettl, hatte 2002 nach Silber in Park City gemeint: "Was wir mit so minimalen Geldmitteln erreicht haben, gibt es in keiner anderen Sportart." 16 Jahre später müssen sich Flock und ihr Kollege und Lebenspartner Matthias Guggenberger in Pyeongchang ihren Therapeuten selbst finanzieren, klagen darüber, dass sie bei diversen Trainingskursen kein Essensgeld bekommen haben, und auch aus dem Bob-Lager gibt es kritische Stimmen.

ÖRV als Medaillenlieferant

Im Gegensatz zum ÖBSV funktioniert der ÖRV, der österreichische Rodelverband prächtig. Das zeigt nicht nur die Medaillenbilanz von Südkorea (1-1-1), sondern eine seit 1992 anhaltende Erfolgsserie. Naheliegend daher, dass man die Ressourcen verbindet. In Deutschland gibt es schon lange Zeit den BSD, den Bob- und Schlittenverband, auch die Schweiz hat die Eiskanalsportarten gebündelt.

ÖRV-Sportdirektor Markus Prock steht dem offen gegenüber: "Im österreichischen Rodelverband gibt es auch einen Beschluss, der besagt, wenn keine Schulden da sind beim Bob und wenn die Institutionen darüber hinaus auch Geld geben und die sportlichen Sachen alle gesichert sind, ist ein Zusammenschluss durchaus auch sinnvoll."

Flock mit klaren Worten

Sinnvoll ist er auf jeden Fall für Janine Flock und Co. Die 28-jährige Tirolerin hatte schon im Olympia-Vorfeld ihren Wunsch genannt. "Ich hoffe auf die Fusionierung mit dem Rodelverband und dass da ein Eiskanalsportverband entsteht. So wie es im Moment ist, ist es wirklich sehr schwierig", sagte Flock im Gespräch mit der APA – Austria Presse Agentur. Nur durch Unterstützung aus Wien durch das ÖOC, von der Regierung und vom Land sei eine Olympia-Vorbereitung möglich gewesen.

Nicht einmal, sondern mehrmals hat Flock in den vergangenen Jahren ans Aufhören gedacht. Zuletzt erst vergangene Weihnachten wie Guggenberger der APA verraten hat. Wegen der Schwierigkeiten mit dem Verband. Flock bestätigte das nach ihrem vierten Platz am Samstagabend Ortszeit. "Ja, es gibt immer wieder so Dinge und Phasen, wo ein Frust da ist. Ich habe gesagt, wenn sich nicht bald was ändert, dann interessiert es mich einfach nimmer. Das Leben bietet viel anderes, man muss sich nicht etwas so schwer machen lassen."

Jeder kritisiert ÖBSV

Skeleton-Trainer Michael Grünberger sieht einen möglichen Zusammenschluss "sehr positiv": "Die haben eine funktionierende Infrastruktur, die im österreichischen Bob- und Skeletonverband nicht vorhanden ist", sprach er Klartext. "Tatsache ist, dass der ganze Trainerstab und alle Angestellten vom ÖBSV mit 31. März gekündigt sind."

Die eigentlich für das Frühjahr geplante Zusammenlegung verzögert sich laut Grünberger wegen bevorstehenden Verbandsneuwahlen im ÖRV. Auch Flocks Freund Guggenberger hofft auf eine baldige Fusionierung, sowohl seine als auch Flocks Karriere würden andernfalls wohl enden.

"Fisch fängt oben zu stinken an"

"Es ist eine 'neverending story', aber es kann sich nichts ändern, wenn immer die gleichen Leute da sind. Der Fisch fängt immer oben zu stinken an", erklärte Guggenberger der APA. Man müsse neue Wege gehen."Einen Stock tiefer schauen und sagen, okay die Rodler sitzen unten, und die machen alles richtig." Flock jedenfalls würde sich schon auch weiterhin die Eiskanäle dieser Welt nach unten stürzen. "Mein Herz schlägt schon noch für den Sport. So lange der Körper und der Geist mitspielt und auch die Freude da ist, möchte ich schon noch fahren."

Prock, der von vielen schon als möglicher Präsident des neuen, mit drei Olympia-Sportarten noch mächtigeren Verbands gesehen wird, hätte schon einmal ein Rezept. "Wichtig ist, dass die Sportler das Umfeld kriegen, das sie brauchen. Ich traue mir schon sagen, dass wir das vom Rodeln her wissen. Wenn Bob und Skeleton bei uns mit dabei ist, wollen wir das für die auch schaffen und das gemeinsam aufbauen."

Auch Bob dafür

Ähnliche Signale kommen auch aus dem Bob-Lager. "Was ich weiß, sind wir ein verschuldeter Verband und da ist der Druck von außen gekommen, wir sollen uns zusammenraufen", berichtete Bob-Cheftrainer Manfred Maier. "Unser Vorstand hat, glaube ich, seit einem Jahr Gespräche."

Maier senior, dessen Sohn Benjamin dieser Tage im olympischen Eiskanal im Zweier- und Viererbob antritt, liebt den Sport nach all den Jahren an der Bahn immer noch. "Logisch, schlägt mein Herz für den Sport, ich bin da jetzt über 30 Jahre verankert. Ich lebe das Ganze, auch mit der Familie, das weiß man."

Er sei es gewohnt gewesen, allein verantwortlich zu sein. "Und das hat auch zu Erfolg geführt, und jetzt mischen sich einfach viel zu viele Leute ein. Wir haben in der Vorbereitung sehr viel selbst zahlen müssen, also die Athleten", schilderte Manfred Maier. "Wenn der Pilot die Athleten und die ganzen Vorbereitungsmaßnahmen zahlen muss, muss man sich irgendwann die Sinnfrage stellen."

Flock sieht Möglichkeiten

Flock könnte sich gut vorstellen, mit Prock im neuen Verband zusammenzuarbeiten: "Wir hoffen, dass da ein Platz für uns ist und alles mit fairen Mitteln abläuft. Damit wir so gestellt sind, dass wir nicht an ihrem (Rodler-)Budget nagen, sondern ein eigenes haben."

Die zweifache Europameisterin, die bereits gute Kontakte ins Sportministerium hatte, möchte dazu auch das direkte Gespräch mit dem neuen Sportminister Heinz-Christian Strache suchen. "Wenn ich die Möglichkeit habe, werde ich versuchen, auch mit dem Sportminister zu reden", sagte Flock. Insgeheim weiß sie, dass ihr bei den Gesprächen eine Medaille im Gepäck vielleicht etwas mehr geholfen hätte. Doch die 28-Jährige lag nach drei Läufen auf Goldkurs und verpasste Bronze nur um zwei Hundertstel. Strache hat das vor Ort mit eigenen Augen verfolgt. (APA, 18.2.2018)