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Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens bewegt: Bei einer Volksbefragung in der Schweiz über die Einführung solch eines Modells entschieden sich im Juni 2016 23,1 Prozent dafür.

Foto: Reuters/Denis Balibouse

Wien – Finnland probt seit Anfang 2017 die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. An dem Versuch nehmen 2.000 Personen teil. Die zufällig ausgewählten Testpersonen bekommen vom Staat zwei Jahre lang monatlich 560 Euro überwiesen. An den Erhalt dieser Summe sind keine Bedingungen geknüpft, nicht einmal bürokratische Schritte sind notwendig. Bisherige Erfahrungen wurden zur Halbzeit des Pilotversuchs nicht veröffentlicht. Die Forscher fürchten, dass eine Zwischenanalyse das Experiment beeinflussen könnte.

Erklärter Zweck des Versuchs ist es, auszuloten, inwieweit ein bedingungsloses Grundeinkommen dazu geeignet ist, den geänderten Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt gerecht zu werden und das Gefühl sozialer Sicherheit zu gewährleisten. Unter anderem soll auch untersucht werden, wie viel bei der Bürokratie eingespart werden kann und wie sich der Wegfall bürokratischer Hürden bei den Beziehern des Grundeinkommens mental auswirkt. Zielgruppe des Versuchs sind jene 25- bis 58-Jährigen, die zurzeit in Finnland irgendeine Form von Sozialhilfe beziehen. In erster Linie sind das Arbeitslose und Bezieher von Notstandshilfe – insgesamt etwa 175.000 Personen. Durchgeführt wird der Testlauf von der staatlichen Pensionsversicherungsanstalt Kela.

Aktivmodell soll folgen

Das Experiment wurde unter der aktuellen Mitte-rechts-Regierung von Juha Sipilä gestartet und zu Beginn der Legislaturperiode als Vorzeigeprojekt beworben. Eine Ausweitung des Versuchs nach dessen Ende wurde in Aussicht gestellt. Mittlerweile scheint die Regierung jedoch eine andere Strategie zu verfolgen. Am 1. Jänner hat sie das sogenannte Aktivmodell ("Aktiivimalli") in Kraft gesetzt. Dieses sieht eine milde Form der Arbeitspflicht von 18 Stunden pro Monat oder ein nachweisbares Monatseinkommen von mindestens 241 Euro aus freier Tätigkeit vor. Bei Nichterfüllung wird dem Sozialhilfebezieher die Unterstützung um 4,65 Prozent gekürzt. Für eine etwaige Weiterführung des Grundeinkommen-Tests sind im aktuellen Budget dagegen vorerst keine Mittel mehr vorgesehen.

Kritisiert wurde das sowohl von Fachleuten als auch einigen Medien. Die liberale Tageszeitung "Helsingin Sanomat" etwa sah statt eines "Zuckerbrot-Modells" nun ein "Peitsche-Modell". Auch die zuständige Chefin der Kela-Rechtsabteilung für Wohlfahrt, Marjukka Turunen, glaubt nicht daran, dass das bedingungslose Grundeinkommen – zumindest in der gegenwärtig getesteten Form – jemals umgesetzt werden wird. Im Aktivmodell sieht sie eine "sehr negative Form, den Ball an die Arbeitslosen weiterzuspielen". "Wir versuchen, das Gute aus dem Experiment und dem darin enthaltenen Mechanismus herauszuholen und in die Reform einzubringen", sagt sie zum STANDARD.

Interesse ungebrochen hoch

Auch in den finnischen Medien und im öffentlichen Diskurs ist es um das bedingungslose Grundeinkommen zuletzt still geworden. Ungebrochen ist das Medieninteresse hingegen im Ausland. In Schottland etwa gibt es ebenfalls Pläne für die versuchsweise Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens. Über den finnischen Testlauf berichteten vergangenes Jahr Sky News, das japanische Fernsehen und Tageszeitungen wie die "Financial Times", die "Sunday Times" oder der "Guardian". Die in den jeweiligen Berichten interviewten Testpersonen äußerten sich überwiegend positiv über ihre Erfahrungen.

Die ursprüngliche Betreiberin des Grundeinkommenprojekts, die traditionell das finnische Wohlfahrtssystem verteidigende Zentrumspartei von Ministerpräsident Sipilä, musste in den vergangenen Jahren mehrfach Rückschläge bei ihren Plänen für eine grundlegende Sozialreform hinnehmen. Zuletzt versagten ihr die Koalitionspartner, die konservative Sammlungspartei Kokoomus und die "Blaue Zukunft" die Parlamentsmehrheit für die zuvor bereits vereinbarte Erneuerung der Elternkarenz. Wie es mit der Sozialreform in Finnland weitergeht und ob das bedingungslose Grundeinkommen in irgendeiner Form doch noch kommt, wird sich voraussichtlich im kommenden Jahr entscheiden. Im April 2019 finden Parlamentswahlen statt, und auch die Analyse des Grundeinkommen-Pilotversuchs wird im Lauf nächsten Jahres erwartet. (Andreas Stangl, 19.2.2018)