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Will der SPÖ eine neue Grundierung verpassen: Parteichef Christian Kern verordnet einen Neustart für das Parteiprogramm.

Foto: AP / Armando Franca

Wien – Wer sich eine Revolution erwartet, den muss Christian Kern enttäuschen. "Wir wollen das Wirtschaftssystem nicht aus den Angeln heben", hält der SPÖ-Chef fest, ehe es da zu Missverständnissen kommt. Neue Schranken brauche der Kapitalismus, der alle gesellschaftlichen Bereiche dominiere, allemal – jedoch: "Wir stehen zur Marktwirtschaft."

SPÖ-Chef Christian Kern hat ein erstes Grundsatzpapier für ein neues Parteiprogramm vorgelegt. Mitte-links will er die SPÖ positionieren und zu einer progressiven Volkspartei machen.
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Klarstellungen wie diese soll das neue Parteiprogramm bringen, das sich die SPÖ im Laufe des Jahres verpassen will. Geht es nach dem Vorsitzenden, dann sollen sich die Sozialdemokraten darin als "progressive Volkspartei" darstellen, die sich Mitte-links verortet – und das politische Zentrum in Österreich wieder "ein Stück in diese Richtung rückt". Anzunehmen habe sich die Partei der Fortschrittsgläubigen ebenso wie der (gefühlten) Modernisierungsverlierer, sagt Kern, es gelte, "Innovation und Gerechtigkeit, Chancen und Schutz" in frische Ideen zu gießen: "Wir werden in 15 Jahren zwingend ein neues Sozialstaatsmodell haben."

Papier von Cap und Blecha fiel durch

Dass das letztgültige, 20 Jahre alte Parteiprogramm da nicht mehr ganz zeitgemäße Antworten bietet, ist Kern nicht als erstem Sozialdemokraten aufgefallen. Schon seit Herbst 2014 diskutieren die Genossen über eine neue Programmatik, doch was die Oldies Karl Blecha und Josef Cap auf Geheiß von Vorgänger Werner Faymann zusammengestoppelt hatten, reicht dem heutigen Chef nicht weit genug über den Tellerrand hinaus: "Das war sehr im Rahmen unserer Konventionen."

Ähnliches lässt sich freilich auch dem von Kern nun vorgelegten "Diskussionspapier" nachsagen, das von der Vollbeschäftigung über Vermögensbesteuerung bis zur Arbeitszeitverkürzung viele rote Klassiker anführt, das heiße Eisen Zuwanderung etwa aber weitgehend ausspart. Dies liege in der Natur der Sache eines solchen Erstentwurfs, sagt der Exkanzler, denn irgendetwas müsse man halt vorlegen, um eine Diskussion zu starten – und die sei mindestens so wichtig wie das Ergebnis.

Nicht im eigenen Saft braten

Diskutiert werden soll ab sofort bis April, und zwar in lokalen Veranstaltungen in den Gemeinden ebenso wie in neugeschaffenen "Mitgliederräten" und online via Homepage www.zukunftsprogramm.at; wer kein Parteibuch hat, kann sich als Gastmitglied einmischen. Damit die Sozialdemokraten "raus aus dem eigenen Schrebergarten" finden (Kern), sollen auch NGOs, Wissenschafter & Co – kurz: die Zivilgesellschaft – eingeladen werden.

Im Mai soll aus den Ergebnissen ein Programmentwurf entstehen, über den die derzeit knapp 180.000 Mitglieder im Juni in einer "Urabstimmung" entscheiden. Der endgültige Beschluss ist für den "Reformparteitag" im Oktober geplant.

Den Chef selbst wählen

Und wenn die Genossen Nein sagen? "Dann red' ma weiter", sagt Kern, rechnet aber natürlich mit dem Gegenteil – und einem wichtigen Nebeneffekt. Viele neue (und junge) Mitstreiter will die SPÖ am Ende der Diskussion gewonnen haben, nicht bloß Karteileichen, sondern echte Aktivposten. Damit diese auch etwas zum Mitreden haben, hält Kern für denkbar denkbar, dass die Mitglieder den Parteivorsitzenden künftig in einer offenen Wahl nach britischem Vorbild bestimmen könnten; derzeit läuft die Kür auf das Abnicken eines in den Parteigremien vorbestimmten Kandidaten hinaus.

Im Statut verankern will der SPÖ-Chef auch, dass schlagende Burschenschafter künftig von der SP-Mitgliedschaft ausgeschlossen sind. Dass Victor Adler und andere Gründungsväter der Partei einst selbst in deutschnationalen Verbindungen waren, ist für ihn kein Widerspruch, schließlich sei das Milieu danach in die antisemitische "Herrenmenschenideologie" abgebogen. Nun drohe "die Unterwanderung der staatlichen Organe durch Geheimbünde", sagt Kern und verweist auf die anstehende Besetzung die Uniräte: Die Kandidaten der FPÖ stünden "am Rande der Rechtsradikalität". (Gerald John, 19.2.2018)