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Der türkische Außenminister Çavusoglu reagiert verschnupft.

Foto: REUTERS/MUHAMMAD HAMED

Damaskus/Afrin/Wien – Östlich des Flusses Euphrat kämpfen sie gemeinsam mit den USA, westlich davon kooperieren sie mit dem Regime des syrischen Machthabers Bashar al-Assad. Diese paradoxe Situation könnte die komplexe Gemengelage in Nordsyrien, wo kurdische Gruppen, die syrische Regierung, Rebellengruppen, die Türkei, die USA und Russland aktiv sind, um eine Facette reicher machen. Die kurdische YPG-Miliz hat nämlich die syrischen Regierungstruppen um Unterstützung gegen den Einmarsch der türkischen Armee im nordwestsyrischen Afrin gebeten. Die Türkei hat ihre Offensive im Jänner gestartet, um die aus ihrer Sicht terroristische YPG zu bekämpfen und eine Sicherheitszone an der Grenze zu schaffen.

Nun forderten die kurdischen Kämpfer die Regierung in Damaskus konkret auf, den Luftraum und die Grenze gegen türkische Angriffe zu verteidigen. "Darüber gibt es zurzeit Verhandlungen mit der Regierung unter Vermittlung von Russland – aber es wurde noch keine Einigung erzielt", sagte der ehemalige Vorsitzende der syrischen Kurdenpartei PYD, Salih Muslim, am Montag. Ein anderer hochrangiger Kurdenvertreter verlautbarte, die syrische Armee werde Grenzposten in der Region Afrin stationieren. Eine kurdisch-syrische Allianz wäre ungewöhnlich, gelten doch die Kurden bisher als Verbündete der USA. Seit 2014 wurde die YPG im Kampf gegen die IS-Miliz von den USA mit Luftangriffen, Spezialkräften und Waffen unterstützt.

Der Konflikt um Nordsyrien und die Kurden enthalte viel Zündstoff für eine neue Eskalation unter neuen Vorzeichen, analysiert Andreas Pfeifer, Leiter der ZIB-Auslandsredaktion.
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Washington hat sich allerdings angesichts der türkischen Offensive sehr zurückhaltend gezeigt. Zwar rief US-Außenminister Rex Tillerson die Türkei dazu auf, zivile Opfer in der syrischen Kurdenregion zu vermeiden, die Sicherheitsbedenken der Türkei gegen die Kurden seien aber ernstzunehmen.

Die Kurden der PYD und ihrer Miliz YPG, die für Ankara der syrische Arm der verbotenen und als Terrororganisation eingestuften Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ist, sehen die Situation pragmatisch. "Wir können mit jeder Seite kooperieren, die uns eine helfende Hand reicht im Lichte der barbarischen Verbrechen und des internationalen Schweigens dazu", sagte Kurdenführer Jia Kurd angesichts der türkischen Invasion.

Keine politische Annäherung

Bereits in den vergangenen Wochen hatte die syrische Armee kurdischen Kämpfern erlaubt, auf dem Weg nach Afrin von ihr kontrolliertes Gebiet zu durchqueren. Auch bisher verurteilte Damaskus zwar die "Aggression" der Türkei, intervenierte aber nicht. Sollte man sich nun auf eine Kooperation einigen, könnten regierungsnahe Milizen innerhalb weniger Stunden in der umkämpften Region Afrin eintreffen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Sana am Montag.

Verhandlungen mit Damaskus über politische Fragen werde es aber auch jetzt nicht geben, betonte Jia Kurd. Sollte es zu einer militärischen Vereinbarung kommen, wäre das nur ein reines Zweckbündnis. Eines, auf das der türkische Außenminister Mevlüt Çavusoglu mit der Drohung reagierte, türkische Soldaten würden auch ohne Skrupel gegen syrische Truppen vorgehen. "Wenn sie kommen, um die YPG zu verteidigen, dann kann niemand und nichts uns oder die türkischen Soldaten stoppen," sagte Çavusoglu bei einem Besuch in der jordanischen Hauptstadt Amman. Sollten die syrischen Truppen die Region dagegen von der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und der YPG "säubern", sei das unproblematisch. Das gelte für die Regionen Afrin und Manbij, aber auch für die von der YPG kontrollierten Gebiete östlich des Euphrat-Flusses.

Schwieriges Verhältnis

Das Verhältnis der syrischen Regierung zu den Kurden im Norden des Landes ist bisher sehr ambivalent. Beide Seiten haben direkte militärische Zusammenstöße im Bürgerkrieg weitgehend vermieden und zeitweise gemeinsam gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" gekämpft. Unterschiedliche Vorstellungen haben sie über die Zukunft Syriens. Assad will das gesamte Land wieder unter seine Kontrolle bringen. Die Kurden beherrschen inzwischen aber große Gebiete im Norden und wollen diese nicht aufgeben. (red, mhe, 19.2.2018)