Untätigkeit kann man Schwarz-Blau nicht vorwerfen: Vizekanzler Heinz-Christian Strache, Kanzler Sebastian Kurz.

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Schwarz-Blau ganz ganz neu. Neue Politik, neuer Stil. Bewegung statt Partei. Schluss mit Machtmissbrauch und Parteibuch! So sind sie angetreten. So haben sie die Wahlen gewonnen. "Lasst sie doch arbeiten!", scholl es aus ihrer Wählerschaft allen Warnern entgegen. "Beurteilt sie nicht nach ihren Worten, sondern nach ihren Taten!", hieß es, als wäre die Sprache nicht zentraler Teil der politischen Arbeit. Als könnte man sie nicht an ihren Worten erkennen.

Nun, sie haben gearbeitet. Natürlich nach wie vor hauptsächlich mit dem Mundwerk: von der "konzentrierten Haltung von Flüchtlingen", über Fake-News-Geplärre à la Trump bis zur Beschimpfung der politischen Gegner und unabhängiger Journalisten und Journalistinnen. Nur der sonst so jungforsche Kanzler folgt seinem sinistren Lehrmeister und schweigt. Da ihre dröhnend und drohend angekündigten Vorhaben an Verfassungsbedenken und europäischem Recht scheitern oder auf massiven Widerstand von Fachleuten und Öffentlichkeit stoßen – was sich vor Landtagswahlen nicht so gut macht –, versenkt man sie nach uraltem Muster in Kommissionen und undurchsichtigen Prozeduren.

Eifrige Parteibuchwirtschaft

Untätigkeit kann man Schwarz-Blau dennoch nicht vorwerfen. Wenn es auch nur eine einzige Sache ist, die die Regierung verbissen vorantreibt. Von der ersten Stunde an arbeitet sie daran, diese Republik in den Farben ihrer Parteibücher umzufärben. Alle Ämter, Posten, Stellen und Positionen, derer sie irgendwie habhaft werden kann, werden in geradezu panischem Eifer und ohne Rücksicht auf bestehende Verträge mit ihren Parteigängern besetzt – vom Verfassungsgerichtshof über die Ministerien, die Verwaltung, die Unternehmen, von den Universitätsräten über Aufsichtsräte, Kontrollorgane, Förderungsstellen bis hin zu den kleinsten Kommissionen und Jurys im Bildungs- und Gesundheitssystem, in Wissenschaft und Kunst, bis in die Tiefe von Staat und Gesellschaft. Der Umstand, dass die FPÖ dafür gar kein ausreichend qualifiziertes Personal besitzt, tut ihrem Eifer keinen Abbruch. Sie kann ja auf Burschenschaften und schlagende Verbindungen zurückgreifen, so penetrant aus denen auch die Faulgase einer jahrzehntelang vor sich hinrottenden braunen Vergangenheit aufsteigen.

Alle Fortschritte der letzten Jahrzehnte, die Parteibuchwirtschaft, dieses Grundübel der österreichischen Politik, einzudämmen, wurden in wenigen Wochen zunichtegemacht. Ausgerechnet diejenigen, die mit dem Versprechen, diesen ständigen Machtmissbrauch zu beseitigen, die Wahlen gewonnen haben, betreiben sie nun mit noch nicht dagewesenem Furor.

Ihr letzter Streich: Die schwarz-blaue Koalition hat sich durch handstreichartige Umbesetzung im Stiftungsrat des ORF eine Zweidrittelmehrheit beschafft – sogar noch weit über ihren Wähleranteil hinaus. ÖVP und FPÖ wollen sich damit das wichtigste Medium des Landes gefügig machen. Orbán grüßt aus Budapest. Kaczyński grüßt aus Warschau.

"Böswillige Missinterpretationen"?

Da drängt sich eine Frage an jene ÖVP- und FPÖ-Wählerinnen und -Wähler auf, denen auch noch die gefährlichste verbale Zündelei, die übelste Sprache aus den Reihen dieser Regierung nur "Ausrutscher", "Rülpser" oder "unbewusste Formulierungen" und der Abscheu davor bloß "böswillige Missinterpretationen" waren: Reichen ihre Taten endlich aus, um sie zu beurteilen? Hat sie genug gearbeitet, damit auch die, denen Worte nichts bedeuten, erkennen können, wen sie da an die Macht gehievt haben? Reicht die schamlose, flächendeckende Wiedereinführung der Parteibuchwirtschaft gegen alle ihre Versprechen? Dürfen wir jetzt über Schwarz-Blau urteilen, ohne eines mangelnden Demokratieverständnisses geziehen zu werden, oder müssen wir weiter wortlos zusehen, wie sie eine illiberale Demokratie errichten, den Sozialstaat, den Rechtsstaat und die Humanität aushöhlen, den Nationalismus wieder gegen die Europäische Einigung anfeuern und die Uhren in unserem Land mit jedem Tag weiter zurückstellen? (Johannes Voggenhuber, 20.2.2018)