Mehr als 200.000 Menschen haben die Nichtraucher-Initiative der Wiener Ärztekammer und Krebshilfe am Dienstagvormittag bereits unterschrieben.

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Wien – Angesichts von mehr als 200.000 Unterstützern für das Volksbegehren, mit dem trotz anderslautender Regierungspläne ein Rauchverbot in der Gastronomie durchgesetzt werden soll, setzt die FPÖ auf einen Strategiewechsel. Während sich die Blauen in den ersten Tagen von der Kampagne der Wiener Ärztekammer und der Krebshilfe sowie von den Serverproblemen im Innenministerium unbeeindruckt zeigten, stattdessen einen baldigen Initiativantrag im Parlament ohne Begutachtung in Aussicht stellten, lenkt FPÖ-Vizechef Norbert Hofer nun ein.

Beitrag aus der "ZiB" um 24 Uhr.
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Grundsätzlich sei er bei einer sehr hohen Anzahl an Unterstützungserklärungen für das Rauchverbotplebiszit nicht abgeneigt, eine entsprechende Volksabstimmung abzuhalten, so der Infrastrukturminister – auf eine konkrete Anzahl an Unterschriften für dieses Szenario will er sich auf STANDARD-Anfrage aber nicht festlegen. In seinem Büro heißt es dazu: "Wir werden am Ende sehen, wie viele Unterzeichner es sind. Danach gibt es eine weitere koordinierte Vorgangsweise."

Test für Regierungspakt

Deutlicher wird Tirols FPÖ-Landeschef Markus Abwerzger, derzeit im Wahlkampf für den Urnengang am Sonntag: "Wenn das Volksbegehren tatsächlich eine derart hohe Unterstützung erfährt, müssen wir das ernst nehmen. Wir würden uns ja selbst ad absurdum führen, wenn wir unsere ureigenste Forderung missachten", sagt er.

Immerhin erwirkte die FPÖ nach ihrem jahrelangen Drängen auf mehr direkte Demokratie, dass im Regierungsprogramm mit der ÖVP Folgendes festgeschrieben wurde: Ab 2022 sollen Volksbegehren, die von mehr als 900.000 Stimmberechtigten unterzeichnet werden, verpflichtend einer Volksabstimmung unterzogen werden – allerdings ist über diesen Modus zuerst ein ebensolches Referendum abzuhalten.

Abwerzger kann sich daher vorstellen, dass das Nichtrauchervolksbegehren als "Testlauf" für die neue Regelung verwendet wird, sollten entsprechend viele Stimmberechtigte unterschreiben – also 900.000. Davon gehe er nach derzeitigem Stand allerdings nicht aus.

Abblasen, dann abstimmen

Oberösterreichs Landeshauptmannstellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ), in seinem Bundesland in Koalition mit der ÖVP, erklärt zu einer möglichen bindenden Volksabstimmung zum Gastro-Rauchverbot: "Grundsätzlich ist das eine Entscheidung der Bundespartei" – er selbst sei aber "plebiszitären Entscheidungen jedenfalls noch nie aus dem Weg gegangen".

FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz pochte am Dienstag im APA-Gespräch darauf, das einst unter Rot-Schwarz paktierte totale Rauchverbot in Lokalen und bei Wirten ab Mai zumindest vorerst zu kippen. Erst in weiterer Folge könne er sich eine Volksabstimmung vorstellen – sollte es dazu eine Einigung mit der ÖVP geben. FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat am Mittwoch ausgeschlossen, dass es konkret vor 2021 einen Volksentscheid zum Rauchverbot in der Gastronomie geben wird.

Die Kanzlerpartei ÖVP gibt sich angesichts der Dynamik des erfolgreichsten von drei aktuell laufenden Volksbegehren recht zurückhaltend. Offiziell will man zu einer möglichen Volksbefragung derzeit nichts sagen.

Volksabstimmung "haushoch zu gewinnen"

Ex-Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP), die das "Don't smoke"-Begehren unterzeichnet, kann sich ein anschließendes Referendum sehr wohl vorstellen: "Damit hätte ich kein Problem – und ich glaube, das ist haushoch zu gewinnen." Ihr geht es vor allem darum, dass junge Leute in Lokalen erst gar nicht mit dem Rauchen beginnen können – und dass Nikotinsüchtige mit dem Verbot einen Anreiz bekommen, damit aufzuhören.

Für Ex-ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger, auch Unterzeichner, ist das Gastro-Rauchverbot vom gesundheitspolitischen Standpunkt her "eindeutig" umzusetzen. Vor Inkrafttreten an einem Gesetz herumzudoktern finde er "auch vom rechtsstaatlichen Standpunkt her nicht gut".

Immerhin die technischen Probleme bei der Unterzeichnung der Volksbegehren will das Innenministerium nun gelöst haben. Experten sehen jedenfalls keine Anfechtungsmöglichkeiten für empörte Bürger, die wegen der überlasteten Server in den vergangenen Tagen von Ämtern wieder heimgeschickt wurden oder lange Wartezeiten in Kauf nehmen mussten.

Höhere Gewalt

Parlamentsexperte Werner Zögernitz erklärt, dass die Komplikationen beim Zugriff auf das Zentrale Wählerregister quasi unter "höhere Gewalt" fallen – außerdem gingen die Unterschriften, die bis jetzt nicht abgegeben werden konnten, ja "nicht verloren", da die tatsächlichen Eintragungswochen noch bevorstehen. Denn dann wird es den Stimmberechtigten erneut möglich sein, die Begehren zu unterschreiben. Der Experte mahnt aber: "Problematisch wird es dann, wenn da wieder Pannen entstehen." Auch der Innsbrucker Verfassungsrechtler Karl Weber sieht derzeit keine Möglichkeit für eine Anfechtung.

Die beiden anderen Volksbegehren, die derzeit Unterstützungserklärungen sammeln, verzeichnen ebenfalls regen Zulauf. Das Frauenbegehren zählte innerhalb einer Woche über 100.000 Unterschriften, das Plebiszit "Asyl europagerecht umsetzen" steht bei etwas mehr als 22.000 Unterstützern. (Katharina Mittelstaedt, Nina Weißensteiner, 20.2.2018)