Überstunden, die nicht aufgezeichnet werden: Ärzte in Wiener Gemeindespitälern arbeiten länger als erlaubt.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Das Gesetz erlaubt Ärzten, 25 Stunden am Stück zu arbeiten, einer Umfrage der Wiener Ärztekammer zufolge können aber nur 40 Prozent der Ärzte des Krankenanstaltenverbundes (KAV) nach einem Nachtdienst pünktlich nach Hause gehen.

Im Auftrag der Standesvertretung hat das Institut für Empirische Sozialforschung (Ifes) Fragebögen an 4.500 Wiener Spitalsärzte verschickt, 33 Prozent der Empfänger füllten diese auch aus. Die Evaluierung der Dienstzeiten bestätigt den Verdacht der Ärztekammer: Die Arbeitszeiten werden nicht immer eingehalten, Überstunden nicht immer aufgezeichnet.

Dabei gilt seit 2015 ein neues Ärztearbeitszeitgesetz in Österreich, dem zufolge Mediziner im Durchschnitt nur noch 48 Wochenstunden arbeiten dürfen. Die Umstrukturierung der Dienstzeiten hat laut Standesvertretung zur Folge, dass Ärzte sowohl nach einem Nacht- als auch nach einem Tagdienst ihren Dienstort nicht zeitgerecht verlassen können: Patientenversorgung, Übergabe oder administrative Aufgaben werden als Gründe genannt.

"Das ist eine Gesetzesübertretung"

"40 Prozent der Ärzte werden regelmäßig dazu genötigt, nach einem Nachtdienst weiterzuarbeiten. Das ist eine Gesetzesübertretung", sagte Wolfgang Weismüller, Obmann der Kurie für Angestellte Ärzte, am Dienstag. Er rechnet vor, dass durch die Gesetzesänderung jeder Arzt fünf Stunden weniger pro Woche arbeite, hochgerechnet auf den gesamten KAV würden 15.000 Arztstunden entfallen – seiner Rechnung nach entspricht das 375 Vollzeitstellen.

Für die Wiener Mediziner bedeute das Arbeitszeitgesetz zwar weniger Wochenstunden, doch gleichzeitig auch eine Verdichtung des Aufwandes: Dieselbe Arbeit muss in weniger Zeit erledigt werden. Die Umfrage hat ergeben, dass 89 Prozent der Ärzte nach ihrem Tagdienst bleiben, um die liegengebliebene Arbeit zu erledigen. Fast die Hälfte der Spitalsärzte im KAV zeichnet die geleisteten Überstunden nicht korrekt auf, zum Teil auch auf Druck von Vorgesetzten.

Überstunden ersetzen Ärzte

Allein durch die nicht abgerechneten Überstunden würden in den Wiener Gemeindespitälern 120 Vollzeit arbeitende Ärzte ersetzt. Die Kammer schließt daraus eine Forderung nach mehr Ärzten, aber auch der administrative Aufwand müsse für diese gesenkt werden, etwa durch Stationsassistenten.

Erfahrungen aus dem AKH hätten gezeigt, dass auch eine zentrale Notaufnahme mit allgemeinmedizinischer Ambulanz die Stationen entlaste. Im größten Spital Österreichs, dessen Ärzte aber von der Med-Uni Wien gestellt werden und deswegen dem Bund unterstellt sind, wurde eine gesonderte Umfrage durchgeführt. Dort funktioniert die Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes besser, allerdings würden sich Forschung und Vorbereitungen für Lehrtätigkeiten immer mehr in die Freizeit der Mediziner verlagern. (mte, 20.2.2018)