Julius Meinl hat eine Sorge weniger.

Foto: Karl Schöndorfer

Wien – Da staunte die Finanzwelt nicht schlecht, als eine Milliardentransaktion der Meinl European Land (MEL) aus heiterem Himmel platzte: Der börsennotierte Immobilienentwickler hatte still und heimlich eigene Zertifikate im Volumen 1,8 Milliarden Euro zurückgekauft. Und das zu weit höheren Kursen, als es dem tatsächlichen Wert entspreche, wie die Staatsanwaltschaft vermutet. Zeitpunkt der Transaktion: Frühjahr 2007.

Warum der Sachverhalt relevant ist? Aus mehreren Gründen: Mit der MEL ging es wegen der hohen Last des Rückkaufs bei gleichzeitig einbrechenden Immobilienpreisen steil bergab. Und für Julius Meinl V. sowie zahlreiche Manager aus seinem Umfeld begann eine schwierige Zeit. Es dauerte ein wenig, aber dann kamen die Ermittlungen in Fahrt. Finanzmarktaufsicht und Staatsanwaltschaft Wien fuhren ordentliche Geschütze auf, die im April 2009 in der Festnahme Meinls gipfelten. Mit 100 Millionen Euro wurde die höchste Kaution in der Justizgeschichte verhängt, die später freilich um 90 Millionen Euro reduziert werden musste. Die Scharmützel zwischen mehreren sich abwechselnden Staatsanwälten und der Privatbank füllen Bände.

Einspruch

Die – stets prominent beratene – Meinl-Truppe beeinspruchte fast jeden Ermittlungsschritt. Manchmal erfolgreich, manchmal nicht. Am Mittwoch konnte Meinl im Kampf gegen die Anklagebehörde seinen bisher größten Sieg einfahren. Es geht dabei um einen Ermittlungsstrang, der von der Justiz parallel zum MEL-Rückkauf verfolgt wurde: Für das Geschäftsjahr 2008 genehmigte sich eine Zwischenholding eine Sachdividende der Meinl Bank von 212 Millionen Euro.

Die Staatsanwaltschaft sah darin den Tatbestand der Untreue und der betrügerischen Krida erfüllt und beantragte die Anklage von Meinl, Ex-Bankchef Peter Weinzierl und weiteren Beschuldigten. Der Grund: Wegen der zahlreichen Anlegerklagen hätte die Bank Rückstellungen für Prozessrisiken im Volumen von 250 Millionen Euro bilden müssen. Bei korrekter Verbuchung der Drohverluste wäre die hohe Ausschüttung an die Eigentümer gar nicht möglich gewesen, so – stark vereinfacht – der Vorwurf. Mit dem Ansinnen blitzte die Staatsanwaltschaft Wien schon 2015 ab, es folgten weitere Ermittlungen. In einer neuerlichen Anklage wurde dann nur noch die unterbliebene Dotierung einer freien Rücklage in Höhe von 20 Millionen Euro moniert.

Zweiter Anklageversuch

Die Oberstaatsanwaltschaft drehte auch den zweiten Anklageversuch ab und erhielt die Zustimmung von Weisungsrat und Justizministerium. Die Rücklage könne im freien Ermessen des Vorstands gebildet werden, lautet die Begründung.

Dabei stützt man sich insbesondere auf Zeugenaussagen von Meinl-Rechtsanwalt Georg Schima. Christian Pilnacek, Generalsekretär im Justizministerium, verteidigt die Entscheidung. Die Beweisergebnisse hätten "keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines entsprechenden Vorsatzes in Bezug auf die Bildung von zusätzlichen Rückstellungen" gebracht. Dass die Causa Sonderdividende nach derart umfassenden Ermittlungen im Sand verlaufen ist, will er nicht überbewerten. "Ich sehe darin keine Schlappe der Staatsanwaltschaft", sagt der frischgebackene Generalsekretär und Chef der Strafrechtssektion.

Fall MEL noch offen

Offen ist nach Pilnaceks Worten immer noch der Ursprungsaspekt, der MEL-Zertifikaterückkauf. Warum die Causa, die aus wirtschaftlicher Sicht durch einen Prüfbericht der Nationalbank aus dem Jahr 2008 akribisch aufgearbeitet wurde, immer noch nicht anklagereif ist? Nach mehreren Einsprüchen sind erst im Vorjahr Unterlagen freigegeben worden. Ob heuer – elf Jahre nach dem MEL-Skandal – über Anklageerhebung entschieden wird, darüber will Pilnacek nicht spekulieren.

Julius Meinl hat eine Sorge weniger: Dass er 212 Millionen Euro aus der Meinl Bank abzog, ist zwar finanziell, aber nicht strafrechtlich relevant. Die Staatsanwaltschaft ist mit ihrer gegenteiligen Sichtweise abgeblitzt. (Andreas Schnauder, 21.2.2018)