Wenn selbst das Haustier die Nase rümpft: Unerklärlicher Geruch im Wohnraum kann psychisch extrem belastend sein.

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Seit einigen Monaten fühlt sich Theresia A. in ihrem Wohnzimmer nicht mehr wohl: Manchmal, wenn sie abends vor dem Fernseher sitzt, steigt ihr plötz-lich ein beißender Geruch in die Nase. Dann tränen ihre Augen, die Nase läuft. "Es riecht scharf, irgendwie giftig", sagt sie. Woher der Gestank kommt, kann sie sich nicht erklären.

Dafür gibt es Experten wie den Geruchssachverständigen Peter Tappler. Er ist oft mit solchen vermeintlich unerklärlichen Gerüchen in Wohnräumen konfrontiert und probiert bei einem ersten Telefongespräch schon einmal so viele Informationen wie möglich einzuholen. Vor Ort wird geschnuppert. "Aber bei der Begehung vor Ort gibt es dann oft keinen Geruch", so Tappler über den klassischen Vorführeffekt. Manche Gerüche lassen sich aber mit Geräten messen und quantifizieren. Dafür wird im Raum ein Gerät aufgestellt, durch das die Raumluft gezogen wird.

Die Sensibilität der Menschen, was schlechte Gerüche angeht, sei in den letzten Jahren gestiegen, erzählt Tappler. "Schlechte Gerüche im Wohnraum waren früher völlig normal", so Tappler. Mit zunehmendem Hygienebedürfnis habe sich das geändert.

Schimmel und Teergeruch

Überhaupt sind Gerüche der Mode unterworfen: Der Geruch neuer Möbeln sei in den 1950er-Jahren mit Fortschritt assoziiert worden, erklärt Tappler. Heute werde dieser Geruch nicht mehr akzeptiert. Ein besonders häufiger Verursacher muffiger Gerüche ist Schimmel beziehungsweise sind Stoffwechselprodukte (MVOCs), die von den Schimmelpilzen an den Raum abgegeben werden.

Auch Teergeruch, der aus der Bausubstanz in die Wände dringt, sorgt mitunter für dicke Luft. Nasser PVC-Bodenbelag wiederum kann nach Kuhstall riechen, was viele nicht wissen. Häufig sind es auch Lösungsmittel, die für den Mief in einer Wohnung sorgen. "Und auch Verwesungsgerüche sind immer wieder Thema", sagt Tappler. Oft liege irgendwo eine verendete Maus oder Taube. Ist es feucht, dann breitet sich bald süßlicher Verwesungsgeruch im Haus aus. Häufiger Verursacher schlechter Luft ist auch Kanalgeruch – etwa wenn ein Siphon ausgetrocknet ist und damit keine Geruchsbarriere zum Kanalsystem mehr besteht.

Zwar sind nur wenige dieser Gerüche giftig. Gemeinsam haben sie aber, dass sie für die Bewohner psychisch extrem belastend sein können. Und sogar körperlich: Wer atypische Gerüche riecht, kann darauf mit Symptomen wie brennenden Augen und laufender Nase reagieren. Ähnliche Symptome also, wie sie beim Einatmen von Schadstoffen auftreten – auch wenn der Geruch gar nicht von einem Giftstoff kommt. Dieses Phänomen nennt sich Toxikopie. "Es ist also schwierig zu trennen, welche Gerüche gesundheitsschädigend sind und welche nicht", sagt Geruchsexperte Tappler, der sich selbst übrigens nur einen mittelmäßigen Geruchssinn bescheinigt.

Diagnose: Totalschaden

Manchmal kann von Experten angesichts unerträglicher Gerüche nur noch ein Totalschaden des Hauses diagnostiziert werden. Bei Fertighäusern aus den 1970er-Jahren kommt es beispielsweise immer wieder zu einem modrig-muffigen Geruch, der auf Chloranisole, die in der Holzständerkonstruktion entstehen, zurückzuführen ist. Er ist zwar toxikologisch unbedenklich, haftet aber sogar der Kleidung von Bewohnern an. Nicht immer zahlt sich in solchen Fällen eine Sanierung des Hauses aus. Selbiges gilt auch, wenn beißender Heizölgeruch darauf zurückzuführen ist, dass Heizöl in die Mauer diffundiert ist.

Nicht alle Rätsel kann ein Geruchssachverständiger lösen, stellt Tappler klar. Einmal wurde ein Kollege zu einem Einsatz gerufen, weil es bei einem Unternehmen in einem Raum stark nach Kren roch. Den Grund dafür hat man bis heute nicht gefunden.

Theresia A. hofft aber, dass sich ihr olfaktorisches Rätsel im Wohnzimmer lösen lässt. Vielleicht, so meint sie jetzt, liegt es am alten Fernseher – und kauft sich demnächst einen neuen. (Franziska Zoidl, 25.2.2018)