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Der Dieselskandal bei VW hat die Diskussion so richtig ins Rollen gebracht.

Foto:AP/ Jens Meyer

Leipzig – Die Hängepartie um Fahrverbote für Diesel-Autos in Großstädten geht weiter. Das Bundesverwaltungsgericht vertagte am Donnerstag die von Millionen Diesel-Fahrern und der Autoindustrie mit Spannung erwartete Entscheidung. "Wir sehen noch erheblichen Beratungsbedarf", sagte der Vorsitzende Richter Andreas Korbmacher. Er will nun am Dienstag verkünden, ob solche Verbote wegen der hohen Stickoxid-Belastung in Ballungsräumen zulässig sind.

Das Bundesverwaltungsgericht will über Fahrverbote für Dieselautos in deutschen Städten entscheiden – genau genommen über die Rechtsgrundlage für solche. Die Richter prüfen in letzter Instanz, ob solche Verbote im Kampf gegen die Stickoxidbelastung (NOx) der Luft verhängt werden dürfen. Die Verwaltungsgerichte in Stuttgart und Düsseldorf hatten diese verlangt und halten sie auch ohne zusätzliche Bundesregelungen im Straßenrecht für umsetzbar. Das Urteil solle am 27. Februar gesprochen werden.

Die Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gingen gegen die Urteile der Verwaltungsgerichte in Revision. Diese hatten konkret geurteilt, dass die Städte Fahrverbote für einzelne Straßen oder sogar die gesamte Umweltzone verhängen können, damit die schon seit 2010 geltenden Grenzwerte zum Gesundheitsschutz eingehalten werden. Die Länder halten hingegen Bundesregelungen für notwendig.

Im Streit über die richtige Regelungsebene – Bund oder Stadt – lenkte Andreas Korbmacher die Debatte am Donnerstag auf eine noch höhere Instanz, den Europäischen Gerichtshof. Dieser werde wegen der Grenzwert-Überschreitungen zunehmend ungeduldig, sagte Korbmacher während der Verhandlung im vollbesetzten Gerichtssaal. "Wir befassen uns mit der Frage sehr ernsthaft: Was verlangt das Unionsrecht?"

Umweltzonen oder gesamter Innenstadtbereich

Werden die Fahrverbote im Grundsatzurteil für zulässig erklärt, müssten sie schnellstmöglich in Stuttgart, Düsseldorf und in weiteren Städten mit erhöhten NOx-Werten in Kraft treten. Der Spielraum der Kommunen ist dabei stark eingeschränkt. Fahrverbote für Dieselautos können dann im gesamten Innenstadtbereich, in Umweltzonen oder an besonders belasteten Straßenzügen greifen und noch in diesem Jahr in Kraft gesetzt werden. Möglich ist aber auch, dass der Vorsitzende Richter Andreas Korbmacher eine bundesweite Regelung anordnet. Dann müsste über eine blaue Plakette entschieden und ein Paket flankierender Maßnahmen geschnürt werden – wie etwa die Förderung öffentlicher Verkehrsmittel oder eine aufwendigere Nachrüstung älterer Dieselautos.

Dieselland Österreich schaut nach Deutschland

Auch das Dieselland Österreich schaut nach Deutschland. Die Entscheidung ist schon insofern relevant, als sie auch eine über die Akzeptanz der Dieseltechnologie an sich ist. Fahrverbote könnten den Diesel noch weiter zurückdrängen, was vor allem die heimischen Autozulieferer trifft. Immerhin wies die heimische Autozuliefererindustrie wiederholt darauf hin, dass 230.000 Arbeitsplätze in Österreich direkt oder indirekt an der Dieseltechnologie hängen.

Außerdem gibt es auch hierzulande häufig schlechte Luft – und auch eine steigende Bereitschaft von Bürgern und Bürgerinnen, Gebietskörperschaften wegen Säumigkeit in der Causa zu klagen. In Graz, der Feinstaubhauptstadt Österreichs, ist ein Fahrverbot für abgasintensive Dieselfahrzeuge noch vor wenigen Jahren mit großer Mehrheit abgelehnt worden. In Wien, wo NOx wegen der durchgängigen Belastung wie in anderen Städten auch ein größeres Problem darstellt als Feinstaub, werden abseits von Verboten alternative Wege der Schadstoffbegrenzung gesucht. Umweltstädträtin Uli Sima erteilte der Forderung nach Fahrverboten am Mittwoch zumindest eine Absage.

Unter Druck kämen aber hierzulande wohl auch die Preise auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Kommt es in Deutschland aufgrund von Fahrverboten zu einem stärkeren Preisverfall, könnten mehr gebrauchte Diesel nach Österreich exportiert werden.

Saubere Luft

Am Donnerstag demonstrierten Greenpeace-Aktivisten in Leipzig für saubere Luft. Auf das Pflaster vor dem Gerichtsgebäude malten Umweltschützer mit Kreide eine fünf mal fünf Meter große Lunge. Hohe NOx-Belastung greift die Atemwege und das Herz-Kreislauf-System an. Die EU führt jährlich rund 400.000 vorzeitige Todesfälle auf die Schadstoffe zurück, die maßgeblich von Dieselfahrzeugen stammen.

Angestoßen hat das Verfahren die Deutsche Umwelthilfe (DUH) mit ihren Klagen gegen mehr als 20 Städte. Wenn ein Dieselfahrverbot komme, hätten die Autobesitzer ein Recht darauf, bei den Herstellern Nachbesserung oder eine Rückgabe zu fordern, erklärte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch im ARD-"Morgenmagazin". Der baden-württembergische Landesverkehrsminister Winfried Hermann erklärte im Deutschlandfunk, er hoffe auf eine bundesrechtliche Regelung zur blauen Plakette. Nach seinem Vorschlag würde nur die in einigen Jahren neueren Diesel-Pkws mit geringeren Emissionen die Einfahrt erlaubt, für ältere gälten Fahrverbote. Verursacher des Problems seien die Autobauer. "Die müssen jetzt die Verantwortung übernehmen auch für das, was sie angerichtet haben", sagte Hermann. Die EU-Kommission sei jedenfalls nicht für den Stadtverkehr zuständig, das sei Sache der Behörden vor Ort, erklärte ein Kommissionssprecher in Brüssel.

"Wir wollen Fahrverbote vermeiden und die Luftreinhaltung verbessern", hat sich die nächste Bundesregierung dagegen laut Koalitionsvertrag vorgenommen. Sie plant viele alternative Maßnahmen. Die Autoindustrie ist gegen Fahrverbote und hält bisher eine Nachrüstung älterer Diesel-Pkws auf ihre eigenen Kosten per Softwareupdate für ausreichend. "Wir sind uns mit den Koalitionären einig darin, dass Einfahrverbote für Dieselfahrzeuge in Städte unbedingt vermieden werden sollen", erklärte VDA-Chef Matthias Wissmann kürzlich. (APA, red, 22.2.2018)