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Wien – Die Wiener Gablenzgasse dient als Einfallstraße, auf der in der Früh tausende niederösterreichische Pendler mit ihren Blechsärgen in die Innenstadt stauen. Der Rest des Tages ist dann ebenso vielen Wiener Autos gewidmet, die einfach so zur Gaudi im Kreis fahren. Unten am Gürtel bei der weit über die Landesgrenzen hinaus berühmt-berüchtigten Lugner-City und einem teilweise immer noch von den Verkehrsteilnehmern beachteten Ampelsystem entsteht in den Menschen dann oft eine so große Frustration, dass sie mitten in der Kreuzung stehenbleiben müssen. Links, rechts, hinten und vorn sehen daraufhin alle Beteiligten rot.

Dadurch entsteht das testosteronhaltige Phänomen der sogenannten Hupdodelei. Schusswaffen wurden bisher noch keine gebraucht. Das kommt aber noch. Die untere Gablenzgasse ist auratisch gesehen (Rauschgifthandel kommt noch dazu) kein guter Ort für gute Seelen. Als einziger Fluchtort dort dient das idyllisch abgelebte Café Weidinger. Und wie kaum eine andere Wiener Musikgruppe passt das Duo Kristian Musser & Karl Schwamberger dort hin wie die Watsche ins Genick.

Musser & Schwamberger "Sommerkleid"
Musser & Schwamberger

Nun also das Wiener Lied

Früher waren die Herren musikalisch bei Tanz Baby! und der Laokoongruppe tätig. Tanz Baby! machten Schlager für Fortgeschrittene, die Laokoongruppe führte Anton Bruckner, Volksmusik und elektronischen Diskurspop zusammen. Nun ist also das Wiener Lied an der Reihe. Historisch gesehen ist dieses, so wie einst Karl Schwamberger, von Oberösterreich aus die Donau heruntergekommen und hat sich hier in Wien im Epizentrum der schlechten Laune genüsslich-mieselsüchtig breitgemacht. Blöd nur, dass das Duo eigentlich gar keine raunzerten Wiener Lieder (oder das Wienerlied an sich) mag. Das macht die Sache etwas kompliziert, bleibt aber spannend.

Musser & Schwamberger "Gruß aus Temeschwar, deine Herta"
Musser & Schwamberger

Musser & Schwamberger präsentieren ihr ab sofort erhältliches titelloses Debütalbum nicht nur am Wochenende live im Café Weidinger. Sie singen mit gut in Magensäure und Fluchtachterln eingelegten Stimmen reichlich desillusionistisch zu grantiger Gitarrenbegleitung und missmutiger Klarinette und ein wenig neumodischem Lärm über die Gablenzgasse, in die der Regen hoffentlich einmal biblisch kommt – und wo "ka Seele mehr lebt, nua noch da Wind, a poar Rotzn und die Taubn". So weit so schlecht.

Alles geht tschari

An der Peripherie, wo Weinbrand und Silberfischerl in den Vorstadttschumsn wohnen, spielt auch die schöne Ballade Musilplatz. Ein anderes Lied heißt Meidling, Mann, Frau, Melancholie. Von Musser & Schwamberger wird man eher nichts über Probleme beim Bikram-Yoga oder Cupcake-Lokale hören.

Hier werden das Saufen, Fressen, Pudern, der Dreck, das Speiben und Sterben sehr direkt angesprochen. Nicht nur ihre Lieder finden kein gutes Ende, alles geht tschari. Gruß aus Temeschwar, deine Herta zum Ausklang endet wie so viele Wienerlieder auf dem Friedhof. Dort singen die Engerln "mit leichter Hand und schlankem Fuss". Nur die Toten, die hat man ordentlich hineingelegt. (Christian Schachinger, 22.2.2018)