Herwig Götschober bei der donnerstäglichen Pressekonferenz: "Die Burschenschaft lehnt jegliches antisemitische oder rassistische Material zutiefst ab."

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Wien – Die Polizei hat tief gegraben. Bis in den "zweiten Unterkeller" der Bude seien die Ermittler bei ihrer dreistündigen Hausdurchsuchung hinuntergestiegen, erzählt Herwig Götschober. Was diese in den dort beschlagnahmten Kisten gefunden haben könnten, macht ihm sichtlich Sorgen.

Der von der Bruna Sudetia beauftragte Rechtsanwalt Werner Tomanek über die Hausdurchsuchung bei der Burschenschaft.
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Der Obmann der Burschenschaft Bruna Sudetia hat allen Grund dazu. Nachdem der "Falter" über ein Gesangsbuch mit antisemitischen Texten berichtete, das die Verbindung verwendet haben soll, hat sich Götschober in seinem Brotjob als Referent von Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) beurlauben lassen (müssen). Er habe die Liedersammlung nicht gekannt, rechtfertigte er sich – und dasselbe sagt er nun auch vor laufenden Kameras über die Bücher aus dem Keller.

Götschober hat sich für seinen Auftritt vor den Medien im Wiener Café Landtmann Beistand geholt. Neben ihm sitzt der prominente Strafverteidiger Werner Tomanek, ein Freund des Rampenlichts. Ehe sein Klient ein vorgeschriebenes Statement herunterliest, schickt der Anwalt voraus: "Der Besitz von historisch bedenklichen Dingen allein ist in Österreich nicht verboten."

Im Zuge der NS-Liederbuchaffäre gab es am Mittwoch eine Hausdurchsuchung in den Räumlichkeiten der Burschenschaft Bruna Sudetia. Der Obmann der Verbindung kündigte nun in einer Pressekonferenz an, die Vergangenheit aufarbeiten zu wollen und entschuldigte sich dafür, dass das bisher nicht der Fall war.
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Ob sich Bedenkliches oder gar strafrechtlich Relevantes im nun beschlagnahmten Material befinde, entziehe sich ihrer Kenntnis, betont das Duo. Offenbar handle es sich um "Nachlässe von vor Jahrzehnten verstorbenen" Bundesbrüdern, sagt Götschober, Tomanek ergänzt: "Bücher, die niemand liest, halte ich nicht für gefährlich."

Wie am Flohmarkttisch

Worauf er mit dieser Anmerkung hinauswill, präzisiert der Anwalt auf Nachfrage nach der Pressekonferenz. Soweit er auf Fotos von der Hausdurchsuchung gesehen habe, seien die Werke ungeordnet "wie am Flohmarkttisch" in den beiden ominösen Kisten gelegen, sagt Tomanek: Dies deute nicht auf Gebrauch hin – und somit auch nicht auf eine öffentliche Verbreitung, wie sie Voraussetzung für Strafbarkeit sei.

Antisemitisches und rechtsextremes Gedankengut widerspreche denn auch der Haltung der Burschenschaft, da gebe es "null Toleranz", versichert Götschober und verspricht zweierlei: "Schonungslose Aufklärung" und die interne Aufarbeitung durch zwei Anwälte. "Ich entschuldige mich", sagt er, "dass so etwas bis jetzt nicht in der Art erfolgt ist." Historisch bietet die Bruna Sudetia reichlich Stoff für kritische Reflexion: Schon Ende des 19. Jahrhunderts schloss die schlagende Verbindung Juden aus, ins NS-Regime gliederte sie sich als Kameradschaft ein.

Für die externe Aufklärung ist die Staatsanwaltschaft zuständig. Nachdem das antisemitische Liederbuch aufgetaucht war, hat die Behörde Ermittlungen wegen des Verdachts der nationalsozialistischen Wiederbetätigung gemäß Verbotsgesetz aufgenommen – und die Hausdurchsuchung am Mittwochnachmittag veranlasst.

Hofer will Mitarbeiter moralisch bewerten

Seine selbst beantragte Beurlaubung im Verkehrsressort will Götschober, der sich bei FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache für die öffentliche Rückendeckung bedankte, bis zur "völligen Aufklärung" der Vorfälle aufrechterhalten. Derzeit braucht der Referent laut Auskunft aus dem Ministerium Urlaubstage aus seinem Jahreskontingent auf, womit er naturgemäß weiterhin sein Gehalt bezieht.

Ob Götschober in den Job im Ministerium zurückkehren kann, werde aber nicht nur vom juristischen Ergebnis der Affäre abhängen, gibt der Arbeitgeber Auskunft. Um seine Funktion wiederaufnehmen zu können, dürfe sich Götschober "keines Vergehens schuldig gemacht haben", so die Auskunft aus dem Büro von Minister Hofer: "Es geht nicht nur ums Strafrecht, sondern auch um die moralische Komponente."

Angeblich weiteres Buch gefunden

In den Räumen der schlagenden Burschenschaft Bruna Sudetia soll ein weiteres, bisher unbekanntes Liederbuch mit antisemitischen Texten gefunden worden sein, berichtete die Wochenzeitung "Falter" am Freitag. Zudem dürften die Ermittler auch "altes Zeug aus der Nazizeit" bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmt haben. Um Hakenkreuzfahnen oder verbotene Abzeichen soll es sich dabei aber nicht handeln. (Gerald John, Video: Katrin Burgstaller, 22.2.2018)