Baku/Eriwan – Genau 30 Jahre nach einem antiarmenischen Pogrom, bei dem 1988 im aserbaidschanischen Sumgait zumindest 32 Menschen ums Leben kamen, macht Aserbaidschan dafür nun sowjetische Geheimdienste verantwortlich. Dies erklärte das aserbaidschanische Außenministerium am Donnerstag in einer Presseerklärung. Armenien sieht indes die Schuld weiterhin bei aserbaidschanischen Nationalisten.

Der sichtlich gegen die armenische Minderheit gerichtete Pogrom, der zwischen 27. und 29. Februar 1988 in der 250.000 Einwohnerstadt wütete, hatte seinerzeit den Konflikt zwischen den Armeniern und Aserbaidschanern massiv angeheizt. Die Ereignisse in Sumgait, die der britische Kaukasusexperte Thomas de Wall später als "ersten Ausbruch von Massengewalt in der späten Sowjetunion" bezeichnete, stehen freilich im Zusammenhang mit Bergkarabach: Diese armenische Enklave auf aserbaidschanischem Gebiet hatte wenige Tage zuvor angekündigt, ein Teil der armenischen Sowjetrepublik werden zu wollen und damit für nationalistische Wallungen sowie einen auch Jahrzehnte später ungelösten Konflikt gesorgt.

Ermittlungen

Neue Erklärungen für die Hintergründe des Pogroms vom Sumgait will man in Baku nun in seit 2010 laufenden Ermittlungen gefunden haben. "Die Massenunruhen waren eine Provokation gegen Aserbaidschan, hinter der armenische Geheimdienste und der KGB stand", erklärte das Außenministerium am Donnerstag, ohne jedoch harte Beweise anzuführen.

Armenische Ideologen und ihre Unterstützer in der sowjetischen Staatsspitze hätten damals verstanden, dass eine legale Loslösung Bergkarabachs von Aserbaidschan nicht möglich sei, referierte das Außenamt. Mit den Unruhen sollte dabei die Idee gerechtfertigt werden, dass Armenier und Aserbaidschaner nicht gemeinsam existieren könnten.

"Provokation"

"Das Interesse des sowjetischen KGB in Moskau an der Ausführung dieser Provokation war von der Absicht bewegt, die Lage an der sowjetischen Peripherie zu destabilisieren, Loslösungstendenzen einzudämmen und den Sowjetrepubliken zu verdeutlichen, dass sie ohne eine starke Zentralmacht alleine nicht überleben können", ergänzte das Außenministerium und verwies auf andere "Massenunruhen und Provokationen" in jenen Jahren etwa in Fergana, Tbilisi oder Vilnius.

Aus Sicht Armeniens handelt es sich bei den Ereignissen von Sumgait freilich weiterhin um einen klassischen Völkermord, der zur Flucht der fast gesamten armenischen Minderheit aus der Stadt und später auch aus ganz Aserbaidschan führte. Parallel flüchteten auch praktisch alle ethnischen Aserbaidschaner aus Armenien.

Gleichzeitig ist die Ansicht, dass der sowjetische Geheimdienst hinter dem Pogrom stehen könnte, nicht neu. "Der KGB hatte freilich die Mittel und auch keinen Skrupel, Gewalt zu provozieren. Bisher sind jedoch weder Geschichten noch Material aufgetaucht, die diese Theorie bestätigen würden", schrieb Thomas de Waal 2003 in seinem Standardwerk "Black Garden: Armenia and Azerbaijan Through Peace and War". Dass die sowjetische Führung eine offizielle Untersuchung zu Sumgait nicht erlaubt habe, sei vielleicht ihr vielleicht größte Versagen gewesen, konstatierte de Waal. Er begründete mit fehlenden Ermittlungen auch das Aufkommen zahlloser Verschwörungstheorien zu diesem Pogrom des Februar 1988. (APA, 23.2.2018)