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Pro: Keine gläsernen Bürger!

Nachdem er seine Meinung geändert hat, versteht Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) nun nicht mehr, warum der Einsatz des Bundestrojaners zur Überwachung von Whatsapp-Nachrichten ein Problem sein soll. Schließlich werden ja auch Festnetztelefonate von Behörden abgehört. Kickl übersieht dabei, dass man mit dem Festnetztelefon weder bei Amazon einkaufen noch Arzttermine notieren, Zeitungen lesen oder Pornos konsumieren kann. Diese Daten spioniert der Bundestrojaner aus.

Die Vorstellung, dass Fremde diese Daten zu sehen bekommen, ließ FPÖ-Politiker vor kurzem noch erschaudern. Dazu kommt, dass in den letzten Jahren staatliche Stellen für Datenschutzskandale gesorgt haben. So setzte das Innenministerium den Bundestrojaner ohne gesetzlichen Rahmen ein. Freiheitliche Polizisten gaben amtliche Daten über Journalisten weiter. Im vergangenen Nationalratswahlkampf wurde der Steuerakt von KTM-Chef Stefan Pierer geleakt – und zwar, weil er der größte Einzelspender von Sebastian Kurz (ÖVP) war. Derselbe Kurz forderte noch vor fünf Jahren einen "gläsernen Staat statt gläserner Bürger".

Die von ihm geführte Regierung vollzieht nun das genaue Gegenteil. Während Medienanfragen oft ignoriert werden und kein Informationsfreiheitsgesetz in Sicht ist, soll der intime Lebensbereich von Menschen ausspioniert werden – auf den bloßen Verdacht hin, sie könnten eine Straftat begangen haben. (Markus Sulzbacher)

Kontra: Die Kontrolle ist entscheidend

Die Aufregung ist enorm. Für die Kritiker sind ÖVP und FPÖ gerade dabei, den perfekten Überwachungsstaat in Österreich zu errichten. Handyortung, Videoüberwachung, Bundestrojaner – all das klingt ja irgendwie bedrohlich. Doch die Fundamentalkritiker vergessen einen wesentlichen Punkt.

Ein Rechtsstaat wird nicht dadurch ausgehebelt, dass die Polizei mehr Rechte bekommt. Eingriffe, selbst in persönliche Rechte, gibt es ja in liberalen Gesellschaften regelmäßig. Die Polizei nutzt legal Hausdurchsuchungen, Telefonüberwachung und Leibesvisitationen. Im Gegensatz zu einer Diktatur muss es aber strikte und nachprüfbare Regeln dafür geben, unter welchen Bedingungen Bürger ausgehorcht und Wohnungen durchsucht werden dürfen. Ein Tatverdacht muss vorliegen, ein Richter muss zustimmen.

Herzstück des neuen Überwachungspakets ist der Bundestrojaner. Mit ihm soll sich der Verfassungsschutz Zugang zu Computern und Smartphones verschaffen, um verschlüsselte Nachrichten zu lesen. Das ist eine beachtliche Kompetenzausweitung. Allerdings darf dieser Zugriff auch hier nur nach richterlicher Genehmigung erfolgen. Dieses System der Checks and Balances gilt auch, wenn die Polizei in erfasste Handy-Verbindungsdaten Einsicht nehmen möchte. Die Debatte, die geführt werden muss, ist, ob die Kontrollen ausreichen und die Regeln dafür, wann die Maßnahmen eingesetzt werden können, streng genug sind. Die Regierung muss das gut darlegen – und zwar im Parlament. (András Szigetvari)