Wegen unüberlegter Bürgschaften für Thermen, Kraftwerke oder andere finanziell missglückte Projekte steht vielen Gemeinden in Österreich das Wasser bis zum Hals.

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Wien – Im Durchschnitt liegt die Pro-Kopf-Verschuldungsquote einer Gemeinde zwischen 1052 Euro im Burgenland und 2927 Euro in Vorarlberg. Dazu aber kommen Gemeindehaftungen, etwa in Form von Bürgschaften für ein ortsnahes Projekt. Diese stellen schlummernde Risiken dar, die weit über die Verschuldung hinausgehen können. Geht etwas schief, droht unter Umständen die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinde.

Basierend auf ihrem verfassungsmäßig geschützten Recht auf Selbstverwaltung nehmen Gemeinden – genauso wie Unternehmen – am wirtschaftlichen Leben teil. Jede Gemeinde ist Vertragspartei, Beteiligte verschiedenster Projekte und Gesellschafterin von Unternehmen. Hinzu kommen Bürgschaften für Projekte wie etwa Kraftwerke, Sportanlagen, Thermalbäder oder Liftanlagen.

Die Übernahme einer Gemeindehaftung bringt Vorteile mit sich. Sie verringert die Finanzierungskosten eines Projekts und ermöglicht dadurch oftmals erst seine Verwirklichung – auch weil die Gemeinde damit ihr Vertrauen in das Projekt zum Ausdruck bringt.

Aber: Wenn das Projekt, aus welchen Gründen auch immer, nicht erfolgreich ist und der Kredit nicht planmäßig zurückgezahlt werden kann, kann die Bank auf die Gemeindehaftung zugreifen. Stellt die Bank – wie üblich – den aushaftenden Kredit fällig, muss die haftende Gemeinde den gesamten offenen Kreditbetrag begleichen. Ist sie finanziell dazu nicht in der Lage, droht im schlimmsten Fall die Gemeindeinsolvenz. Zahlreiche Gemeinden in ganz Österreich, darunter Fohnsdorf, Trieben oder Hart bei Graz, waren oder sind von dieser Gefahr betroffen.

Obergrenzen überschritten

Obwohl seit einigen wenigen Jahren gesetzliche Haftungsobergrenzen für Länder und Gemeinden existieren, überschreiten viele Gemeinden diese Höchstgrenzen. Dies liegt vor allem an Altlasten, denn bestehende Haftungen können nicht einfach aufgekündigt oder aufgelöst werden.

Unter Experten wurde darüber viel diskutiert, ob Gemeinden überhaupt insolvenzfähig sind. Mittlerweile gibt es einen starken Konsens darüber, dass die Insolvenzfähigkeit von Gebietskörperschaften gegeben ist. Offen ist jedoch, wie so eine Insolvenz im Einzelfall tatsächlich aussehen würde. Da es dafür kaum spezielle gesetzliche Bestimmungen gibt, sind viele Fragen ungeklärt.

Gemeinden haben verfassungsrechtlich vorgeschriebene Aufgaben, deren Erfüllung selbst in der Insolvenz nicht beeinträchtigt werden darf. Dazu zählt etwa der Betrieb von Kindergarten, Schule und Feuerwehr. Welche weiteren Liegenschaften, Gebäude, Fahrzeuge und sonstigen Vermögenswerte zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben erforderlich sind und daher von dem Insolvenzverfahren verschont bleiben, ist unklar. Klar ist allerdings eines: Die Zahlungsunfähigkeit einer Gemeinde ist nicht erstrebenswert.

Wie kann nun ein Insolvenzszenario vermieden werden? Hier sind bei Gemeinden vor allem die Bürgermeister gefragt. Was bei Finanzierungs- und M&A-Transaktionen Standard ist, muss auch bei Investitionen mit Gemeindehaftungen beachtet werden. Eine Haftung ist wie ein Damoklesschwert: Der Bürgermeister muss einerseits den Faden, an dem dieses Schwert hängt, einer Prüfung unterziehen, und andererseits kalkulieren, was passiert, wenn dieser Faden reißt. Er muss auch bedenken, dass bei nicht sorgfältiger Vorgehensweise eine persönliche Haftung droht.

An einem Strang ziehen

Ist die Haftung bereits schlagend geworden, gibt es keine Pauschallösung. Fest steht jedoch, dass sowohl Bürgermeister, die Gemeinderäte, das beaufsichtigende Land und die Projektinhaber an einem Strang ziehen müssen, um diesen Ausnahmezustand zu beenden – und sich rechtzeitig professionelle Hilfe suchen sollten. Beispielsweise können Gespräche mit Banken geführt werden, um das Projekt und den Kredit zu refinanzieren oder zu restrukturieren. Man kann auch versuchen, einen finanzstarken Partner ins Boot zu holen oder das Projekt zur Gänze zu verkaufen.

Für bestehende Altlasten gilt dasselbe: Bestehende Haftungen müssen identifiziert und bereinigt werden. Bei noch nicht akut gewordenen Altlasten ist die Zeit ein für die Gemeinde positiver Faktor. Der Bürgermeister kann ohne eine unmittelbar drohende Gefahr der Zahlungsunfähigkeit die Aufarbeitung der schlummernden Altlasten in Angriff nehmen. (Annika Wolf, 26.2.2018)