1. ORF klagt Vizekanzler

Heinz-Christian Strache bekommt in diesen Tagen die nächste Klage wegen seines "Lügen"-Postings über den ORF und Armin Wolf zugestellt. Nach Wolf hat auch der ORF seine Anwälte beauftragt, den Vizekanzler und FPÖ-Chef auf Unterlassung und Widerruf zu klagen, auch Schadenersatz ist Thema. Neben Strache klagt der ORF auch gleich Facebook – wo Strache ja das Sujet "Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden. Das ist der ORF" mit dem Bild des "ZiB 2"-Anchorman veröffentlichte.

Vorige Woche trug das Straflandesgericht Wien Strache auf, auf seiner Facebookseite vom Verfahren Wolfs gegen ihn zu berichten. Nach aktuellem Verfahrensstand sei von übler Nachrede und Anspruch auf Entschädigung auszugehen. Strache veröffentlichte die Mitteilung in der Nacht auf Samstag um 1.59 Uhr. Ebenfalls am Samstag wurde Straches Vergleichsangebot an Wolf publik: Strache bietet an, auf Facebook (noch einmal) zu erklären, dass er "keine persönlichen Vorwürfe gegen Dr. Armin Wolf erheben wollte". Weil das Posting aber "in der Öffentlichkeit so verstanden wurde", wolle er sich dafür entschuldigen. Schwer vorstellbar, dass Wolf den Vergleich annimmt. Er hat schon auf Straches ersten Facebook-Hinweis, er habe Wolf nicht persönlich gemeint, erklärt: "Ich möchte gerne ein Gericht entscheiden lassen, ob diese Art der persönlichen Diffamierung von Journalisten rechtlich zulässig ist oder nicht."

Vizekanzler Heinz-Christian Strache vorige Woche beim Ministerrat.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

2. Westenthaler trifft Hofer: die öffentlich-rechtliche Leistung

Trifft ein freiheitlicher ORF-Reformator der Generation 2000 einen freiheitlichen ORF-Reformator der Generation 2017: Das kann doch nur ein Interview des legendären ORF-Millardenklägers, ORF-Kurators, Interventionsbombers, ORF-Gesetz-Ingenieurs und schließlich von der ÖVP beleidigten Wrabetz-Königsmachers Peter Westenthaler (Jahrgang 1967) für die interessante Zeitschrift "Alles Roger" sein – diesmal mit dem aktuellen blauen Verkehrsminister Norbert Hofer (Jahrgang 1971).

Erst ein paar knallharte Fragen wie auf der ORF-Anklagebank zu Verkehrsthemen ("Stimmt das?" zum Vorwurf des ÖBB-Postenschachers. "Künftig also Tempo 140, wo es möglich ist?" "Was gibt es beim 'Pickerl' Neues"? "Rechtsabbiegen bei Rot" ... In Linz beginnt's?" "Was ist noch in Planung?"). Ein tatsächlich indiskutables Posting in einem STANDARD-Forum (Der "Melden"-Button erleichtert übrigens das rasche Finden und Löschen!) und andere wirklich widerwärtige Drohungen. Dann ministerielles Arbeitsleid. Und endlich der Generationenaustausch über das ewige blaue Reformprojekt ORF.

Hofer ist gegen "Zwangsgebühren", erinnerte uns ja schon sein Facebook-Posting über die ihn zum Münchner Verkehrsgipfel verschweigende "Zeit im Bild". In "Alles Roger" sagt Hofer auch, wie er sich die künftige (und künftig wohl kargere) ORF-Finanzierung vorstellt: "Im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Leistung des ORF wäre ein staatlicher Zuschuss denkbar." Ich verstehe das – nicht ganz neu seit den Regierungsverhandlungen 2017 – als Budgetfinanzierung des ORF.

Westenthaler fragt, ganz wie in seinen hunderten OTS-Aussendungen als Oppositionspolitiker und ab 2000 Regierungsparteipolitiker zum ORF, zu der "unglaublichen" Aneinanderreihung "von Skandalen, was die politische Berichterstattung angeht". Hofer gleitet da elegant entlang der aktuellen freiheitlichen Argumentationslinie, dem ORF und "einigen Mitarbeitern" nachzusagen, "Politik machen zu wollen". (Wieder)Erkennbar an Sätzen wie: "Wenn ein ORF-Journalist glaubt, Politik machen zu müssen, dann soll er sich Wahlen stellen." Zieldefinition: "objektive Berichterstattung" und "keine parteipolitische Einfärbung".

3. Guter Rat für den ORF – auf 15 Mandaten

Hofer formuliert da ein schönes Ziel, das sich etwa auch sehr gut für die anstehende Besetzung von neun Regierungsmandaten im ORF eignet. Wie schon für viele vorangegangene wird es auch diesmal bei einer schönen Idee bleiben. Bisher rot besetzte Mandate werden in einem ersten Farbwechsel blau umgefärbt. Ein unberechenbar unabhängiger katholischer Stiftungsrat wird sehr überraschend durch einen ebenfalls katholischen Stiftungsrat ersetzt, der ankündigt, im ORF ebenso unabhängig zu agieren. Und türkisschwarz bleibt (wenn man von Interpretationsschwierigkeiten beim unabhängigen Regierungsstiftungsrat absieht) türkisschwarz.

4. Letzte Runden für die ORF-Gremien

Gut möglich, dass die neun Regierungs-Stiftungsräte und die sechs Parteimandate im obersten ORF-Gremium diese Woche vom Ministerrat entsandt werden. Am 14. März sollen die neuen Räte schon in einer Klausur auf Themen und Herausforderungen auf dem Küniglberg eingestimmt werden, am 22. März sollen sie Wrabetz' 'Plan B" für das 300-Millionen-Bauprojekt ORF-Zentrum beschließen.

Schon diesen Donnerstag treffen einander die Publikumsräte des ORF zu einer letzten regulären Sitzung. – Die FPÖ-Angriffe und Fehler der ORF-Berichterstattung über die FPÖ in den vergangenen Wochen werden dort wohl Thema sein. Am 7. März kommt der aktuelle Publikumsrat dann noch einmal zu einem Studientag zusammen, bevor seine Funktionsperiode ausläuft und aus der roten Mehrheit in dem Gremium und unter seinen sechs Stiftungsräten eine türkis-blaue wird.

Wird Alfred Trendl, Präsident des katholischen Familienverbands und verabredeter Nachfolger des notorisch unabhängigen Stiftungsrats Franz Küberl, tatsächlich am Mittwoch zum Regierungs-Rat im ORF bestellt, dann fiele er im Publikumsrat am Donnerstag wohl schon aus. Ein eher überschaubares Problem.

5. #esblümelt in Berlin

Medienminister Gernot Blümel war beim Kim Jong-un der Medienpolitik – und raten Sie mal, mit wem! Das würde ich selbst im größten Übermut nicht ernsthaft schreiben über den kleinen Mediengipfel in Berlin vom vergangenen Wochenende, den die vorige Etat-Wochenschau leider verpasst hat, nur weil ich noch immer nicht auf Instagram bin.

Medienpolitischer Kim Jong-un? Das exakte Gegenteil ist natürlich Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner, den Österreichs Medienminister in Begleitung am Sonntag vor einer Woche im Berlinale-Berlin traf. Döpfner kommt nur beim Nachdenken über öffentlich-rechtlichen Rundfunk – natürlich in Deutschland – gelegentlich auch auf die Medienpolitik Nordkoreas. Deshalb erlaubte sich die Wochenschau – "Satire!" – den auch gleich wieder in Abrede gestellten Schlenker zu Kim Jong-un. Die den Idealen von Vielfalt, Objektivität, Unabhängigkeit sowie Friede und Freude verpflichtete Wochenschau verweist hier ausdrücklich auf die Frankfurter Allgemeine Zeitung und ihre authentische Interpretation der nordkoreanischen Doepfner-Rede. Und hier noch ein Link auf Spiegel Online zu Nordkorea, DDR und Doepfner über öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Laut Blümels Instagram-Account war das Treffen ein "spannender und wertvoller medienpolitischer Austausch in #Berlin – mit dem #Vorstandsvorsitzenden des #AxelSpringer-Verlags #MathiasDöpfner. Viele gemeinsame Themen in herausfordernden Zeiten für #Medienstandort und #Zukunft der #Medien in #Österreich, #Deutschland und ganz #Europa. #Medienpolitik #esblümelt".

Dieser medienpolitische Austausch gemeinsamer Themen könnte da und dort die Vorfreude auf das von Türkis-Blau geplante neue ORF-Gesetz fördern.

Der von Blümel auf Instagram leider unerwähnte Reisebegleiter zu Berlinale und wertvollem medienpolitischem Austausch, er sitzt in Blümels Bild rechts, aus der Sicht des Medienministers links am Tisch im Berliner Politik-und-Journalisten-Klassiker Café Einstein, ist übrigens Rainer Nowak, Herausgeber und Chefredakteur und seit 2017 auch Geschäftsführer der "Presse".

Drei Herren im medienpolitischen Dreivierteltakt am 18. Februar 2018 in Berlin: Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner, Medienminister Gernot Blümel, "Presse"-Chef Rainer Nowak.
Foto: Gernot Blümel / Instagram

6. Volksabstimmung über Rundfunkgebühren

Wo wir schon bei "Zwangsgebühren" und "herausfordernden Zeiten" sind: Am 4. März, kommenden Sonntag also, stimmen die Schweizerinnen und Schweizer darüber ab, ob sie künftig Rundfunkgebühren zahlen wollen. Ich will jetzt wirklich nichts verschreien (in Deutschland heißt das nach meiner Erinnerung BEschreien), aber:

Es sieht so aus, als wären die Schweizerinnen und Schweizer so vernünftig, wie man es ihnen – gewiss auch nach Wahlerfolgen die SVP – nachsagt. Vernünftig, gegen eine Abschaffung der Rundfunkgebühren zu stimmen – finde ich jedenfalls. Ich halte die Rundfunkgebühren (für alle Haushalte wie in Deutschland) für die sinnvollste Variante, öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finanzieren. Und freue mich auf die Debatte dazu.

Die zumindest eine Spur anders denkende "Kronen Zeitung" kann die Schweizer Abstimmung über die Rundfunkgebühren (Nobillag heißt die Initiative dort) offenkundig nicht erwarten. Sie kündete schon diesen Sonntag von der "heute" stattfindenden Volksabstimmung. Aber wer weiß: Vielleicht hab' ich mich verschaut.

Corona praecox: Die "Krone" war eine Woche zu früh dran mit der Nobillag-Volksabstimmung. Und ausgerechnet die über alle Maßen fehleranfällige Etat-Wochenschau wirft den ersten Stein aus ihrem Glashaus.
Foto: Kronen Zeitung Faksimile

7. Fehlerkultur in der "Krone"

Vielleicht haben Sie ja auch die Etat-Wochenschau gelesen über Heinz-Christian Straches falsche Angaben im großen persönlichen "Krone"-Interview am vorvergangenen Sonntag. Strache behauptete da unwidersprochen und falsch, der verkürzte Beitrag über eine FPÖ-Wahlveranstaltung in "Tirol heute" wäre auch in der "ZiB 2" gelaufen.

Auf Armin Wolfs Hinweis korrigierte krone.at vorigen Sonntag sehr rasch Straches Behauptung. Die gedruckte "Krone" tat das in ihrer Montagsausgabe. Es heißt ja: Wer schnell hilft, hilft doppelt. Und natürlich soll man Fehler so rasch wie möglich richtigstellen. Rasche Korrektur versuche ich auch – Hinweise immer willkommen!

Bei gedruckten Zeitungen allerdings geht es nicht alleine um Geschwindigkeit, scheint mir. Die Montagausgabe der "Krone" hat laut Österreichischer Auflagenkontrolle (2. Halbjahr 2017) eine verbreitete Auflage von 758.922 Exemplaren. Am Sonntag, als Strache zuletzt die Unwahrheit über die Verbreitung des Tiroler ORF-Beitrags verbreiten konnte, wächst sich die verbreitete Auflage auf 1.204.958 aus. Differenz: 446.036 Exemplare. Der Unterschied sieht ungefähr so aus:

Die Auflagedaten können Sie hier nachvollziehen.

Im Wochenschnitt (Tages-Daten sind nicht verfügbar, Montag ist gemeinhin der schwächste Tag der Woche) lesen die "Krone" laut Media-Analyse 2.243.000 Menschen. Am Wochenende – hier geht es um die Sonntagsausgabe – ist es jedenfalls eine halbe Million mehr. 2.768.000 Leserinnen und Leser weist die Media-Analyse der "Krone" am Sonntag zuletzt aus.

Die Leserzahlen laut Media-Analyse können Sie hier nachvollziehen.

In der "Krone"-Ausgabe von diesem Sonntag (25. Februar 2018) habe ich keinen Hinweis auf eine falsche Behauptung von Heinz-Christian Strache in der Ausgabe vom vorigen Sonntag gefunden. Wenn ich falsch gesucht habe: Danke für sachdienliche Hinweise! Auch über rasche Korrekturen im STANDARD, die weniger Menschen erreichten als die zu korrigierende Ausgangsmeldung.

8. Fehlerkultur bei "Alles Roger"

In einem aufmerksamkeitsstarken Kästchen von großzügig geschätzten vier mal drei Zentimentern teilt "Alles Roger" seinen Leserinnen und Lesern in einer "RICHTIGSTELLUNG" mit: ORF-Roland Brunhofer ist entgegen der "Alles Roger"-Behauptung in der November-Ausgabe des interessanten Magazins nicht Teilhaber der Produktionsgesellschaft, die "eine ORF-Sendereihe ausführe, wodurch er sich bereichern würde".

2000 Euro wurden Brunhofer übrigens bei dem Vergleich zugesprochen, er spendet das Geld dem St. Anna Kinderspital.

9. Fehlerkultur in der Etat-Wochenschau

Wenn Sie Fehler in der Etat-Wochenschau finden – schreiben Sie mir doch bitte an vorname.nachname@derStandard.at oder posten Sie im Forum zu diesem Artikel. Ich nehme mir fest vor, mich endlich über Reaktionen alarmieren zu lassen.

Kommen Sie gut in die Woche. (Harald Fidler, 26.2.2018)