Wien – Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) ist überrascht von der geplanten Verschiebung des Erwachsenenschutzgesetzes, mit dem das Sachwalterrecht im Sinne der Betroffenen modernisierte werden sollte. Man sei davon ausgegangen, dass das Gesetz planmäßig am 1. Juli in Kraft tritt, sagte die Sprecherin der Ministerin am Montag. Am Zug sei nun Justizminister Josef Moser (ÖVP), der schauen müsse, welche Dinge er priorisiere.

Das Gesetz wurde bereits im Vorjahr einstimmig im Parlament beschlossen und soll das 30 Jahre alte Sachwalterrecht ablösen. Die neuen Bestimmungen sollen die Handlungsfähigkeit von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder intellektuellen Beeinträchtigung nicht mehr pauschal einschränken. Stattdessen soll die Vertretung in abgestuften Formen passieren, je nachdem, in welchem Ausmaß jemand Unterstützung baucht.

Verschiebung aus Geldmangel

Die Umsetzung des Gesetzes kostet jährlich 17 Millionen Euro und soll aus Geldmangel um mindestens zwei Jahre verschoben werden. Dabei hat sich herausgestellt, dass der finanzielle Aufwand für die Umsetzung der Maßnahmen im Zuge der Gesetzwerdung absichtlich schöngerechnet wurde. Im Begutachtungsentwurf aus dem Jahr 2016, der vom damaligen Justizminister und künftigen Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter (ÖVP) erstellt wurde, ging man von rund 17 Millionen Euro im Jahr aus. Im Gesetzesentwurf von 2017 wurden die Kosten nur mehr mit rund zehn Millionen angegeben und sollten bis 2022 kontinuierlich auf null zurückgehen. Das dürfte allerdings nicht der Realität entsprechen. Laut Begutachtungsentwurf werden die Kosten in den kommenden Jahren nicht sinken, sondern steigen. Auch Justizminister Moser bestätigte, dass er für die Umsetzung 17 Millionen im Jahr brauche, und forderte von Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) zusätzliches Geld. Dieser lehnte das bisher ab.

Für die gemeinnützigen Erwachsenenschutzvereine, die sich um Sachwalterschaften kümmern, kam die Ankündigung, dass das Gesetz vorerst nicht in Kraft tritt, vergangenen Montag völlig überraschend. Sie waren mitten in den Vorbereitungen zur Umsetzung der neuen Bestimmungen und mussten dutzenden Menschen, die bereits eine Jobzusage hatten, wieder absagen.

Erwachsenenschutz: SPÖ sieht "Verhöhnung"

Scharfe Kritik am Vorgehen der Regierung beim Erwachsenenschutzgesetz haben am Montag SPÖ und Liste Pilz geübt. Die Betroffenen und NGOs werden von Kanzler Kurz und seinen Regierungskollegen "verhöhnt" und "zum Narren gehalten", sagte Ulrike Königsberger-Ludwig, SPÖ-Sprecherin für Menschen mit Behinderung.

Dies sei einer Bundesregierung unwürdig. "Die rechte Hand weiß nicht, was die linke tut. Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten werden hin- und hergeschoben." Als "besonders perfid" bezeichnet die Abgeordnete, dass das Gesetz nun wohl in Kraft treten soll, allerdings ohne Bereitstellung der benötigten finanziellen Mittel. Das Herzstück dieses Gesetzes sei das sogenannte "Clearing". Das ist der Prozess, der entscheiden soll, welche Form von Unterstützung der betroffene Mensch erhalten soll. "Wenn dafür nicht ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, ist das ganze Gesetz nicht umsetzbar", so Königsberger-Ludwig.

"Ohne verbindliche Finanzierungszusage wird dieses Gesetz nicht mit Leben erfüllt werden können. Die Forderungen der Interessensverbände und Selbsthilfegruppen müssen gehört werden. Nur dann kann der angestrebte Paradigmenwechsel von der Bevormundung zur Unterstützung der Betroffenen gelingen", hielt der Klubobmann und Gesundheitssprecher der Liste Pilz, Peter Kolba, fest. Er forderte von den zuständigen Ministerien, einen Runden Tisch mit den Verbänden einzuberufen. (APA, 26.2.2018)