Der slowakische Investigativjournalist Ján Kuciak wurde ermordet.

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Polizisten bewachen das Haus in der Nähe von Bratislava, in dem die beiden Toten gefunden wurden.

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In der Slowakei sorgt der Mord am 27-jährigen investigativen Journalisten Ján Kuciak und seiner Lebensgefährtin für Entsetzen. In der Nacht auf Montag fand die Polizei die Leichen der beiden in ihrem Haus in Veľká Mača, etwa 50 Kilometer östlich der Hauptstadt Bratislava. Zuvor hatten Familienangehörige, die das Paar vermissten, die Behörden alarmiert.

Polizeiangaben zufolge wurden Kuciak und seine Partnerin erschossen. Der Tod des jungen Mannes hänge "wahrscheinlich mit seiner journalistischen Tätigkeit zusammen", erklärte Polizeipräsident Tibor Gašpar am Montag auf einer Pressekonferenz.

Kuciak hatte für das slowakische Onlinemagazin "aktuality.sk" immer wieder über Steueraffären umstrittener Unternehmer geschrieben, von denen einige häufig im Umfeld einflussreicher Politiker auftauchten. Zuletzt hatte er sich in seiner Arbeit den verdächtigen Finanztransaktionen rund um eine Luxusresidenz in Bratislava gewidmet. Demnach sollte eine am Bau beteiligte Immobilienfirma in Konkurs geschickt werden, ohne dass zuvor deren Schulden bei den Gläubigern beglichen worden wären.

Drohungen gegen Kuciak

Der Unternehmer Marián K., der mit der Causa in Zusammenhang gebracht wurde, soll Kuciak wegen seiner Artikel bedroht haben: "Ich werde mich Ihnen widmen – Ihnen persönlich, Ihrer Mutter, Ihrem Vater, Ihren Geschwistern", habe er laut Informationen der Zeitung "Denník N" angekündigt.

Kuciak erstattete wegen der Drohungen Strafanzeige gegen K. Im Herbst beklagte er sich dann in den sozialen Netzwerken, dass seit der Anzeige "44 Tage vergangen" seien, sich aber offenbar noch niemand mit dem Fall befasst habe.

Auch auf der Pressekonferenz von Polizeipräsident Gašpar klagten am Montag mehrere Journalisten über Untätigkeit der Behörden. Gašpar hatte dort versprochen, "maximale Kapazitäten einzusetzen", um den Fall Kuciak aufzuklären. "Warum haben Sie nicht maximale Kapazitäten eingesetzt, um seinen Tod zu verhindern?", fragte eine Reporterin.

Im Zusammenhang mit der genannten Luxusresidenz war auch bereits der umstrittene Unternehmer Ladislav B. ins Visier der Ermittler geraten. Der Vorwurf: B. soll dort Wohnungen besessen und bei ihrem Verkauf unrechtmäßig Mehrwertsteuer zurückgefordert haben. Brisant war der Fall vor allem deshalb, weil B. unter anderem Geschäftsbeziehungen zu Innenminister Robert Kaliňák und Premierminister Robert Fico unterhielt. Beide gehören der sozialdemokratischen Partei Smer an.

Panama Papers

Kuciak berichtete jedoch auch über andere Affären, etwa über den angeblichen Subventionsbetrug eines Unternehmers und früheren Mitglieds einer konservativen Oppositionspartei oder über die sogenannten Panama Papers. Auch die Journalistin Daphne Caruana Galizia, die im vergangenen Oktober in Malta durch eine Autobombe getötet wurde, nachdem sie unter anderem Regierungschef Joseph Muscat Korruption vorgeworfen hatte, war im Zuge ihrer Recherchen zu den Panama Papers bekannt geworden.

Am Montag tauchte dann noch eine weitere Spur auf: Ein anderer Journalist sagte der Zeitung "Denník N", Kuciak habe ihm erst vorige Woche von seinen Recherchen über die italienische Mafia berichtet. Diese sollte demnach in der Ostslowakei in Subventionsbetrug rund um EU-Fördergelder verwickelt sein.

Zahlreiche slowakische Politiker zeigten sich am Montag erschüttert vom Mord an Ján Kuciak. Wenn sich der Verdacht auf einen Zusammenhang zu Kuciaks Recherchen erhärte, müsse man von einem "Angriff auf die Pressefreiheit und die Demokratie in der Slowakei" sprechen, sagte Premier Robert Fico. Staatspräsident Andrej Kiska sprach von "kaltblütigem Mord". Nun gelte es, die Täter so schnell wie möglich zu fassen und "die Sicherheit aller Journalisten zu gewährleisten".

Kneissl fordert "rasche Aufklärung"

Entsetzt äußerte sich Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ). Die jüngsten Morde an investigativen Journalisten in Malta und in der Slowakei würden bei ihr "einen tiefen Schauer" auslösen. Sie wünsche sich eine "voll umfassende rasche Aufklärung".

Auch Tschechiens Premierminister Andrej Babiš, selbst gebürtiger Slowake, meldete sich zu Wort: "Im Leben hätte ich nicht gedacht, dass so etwas im Jahr 2018 in der Slowakei passieren kann", schrieb er via Twitter. Der Verlag Ringier Axel Springer Slovakia, zu dem "aktuality.sk" gehört, erklärte via Aussendung, man werde sich auch künftig nicht davon abhalten lassen, Missstände aufzudecken. (Gerald Schubert, 26.2.2018)