Wien – Für das deutsche Bundesverwaltungsgericht sind Fahrverbote bei hohen Luftbelastungen zulässig. "Eine faktische Enteignung mehrerer Millionen Verbraucher", wie der freiheitliche EU-Mandatar Georg Mayer kritisiert. "Was in Deutschland Realität wird, kommt auf Österreich auch zu", warnt hingegen der Vorarlberger Umweltlandesrat Johannes Rauch. Auch Neos-Umweltsprecher Michael Bernhard geht davon aus, dass die deutsche Entscheidung die Diskussionen in Österreich erneut anheizen.

Die sind allerdings ohnehin nie abgeflaut. Doch selbst wenn es immer wieder Rufe nach Umweltzonen oder Fahrverboten gibt, fehlt meist eine politische Mehrheit dafür. Linz gehört etwa dazu. In der "Feinstaubhochburg" Graz werden seit Jahren Diesel-Fahrverbote diskutiert. 2012 sprach sich eine Mehrheit der Bevölkerung gegen Umweltzonen aus. Auch in Wien wurden Umweltzonen jüngst eine klare Absage erteilt. Immer noch hofft man, mit dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs das Auslangen zu finden. AK-Direktor Christoph Klein plädiert auch jetzt erneut dafür. Was viele ärgert: Die Autoindustrie putze sich ab. Die Politik hätte ihr gutgläubig die Einhaltung der Grenzwerte überlassen. Autofahrerclubs wie der Öamtc rechnen damit, dass nun wieder über die von den Herstellern als zu teuer abgelehnte Hardware-Nachrüstung für Diesel-Autos diskutiert wird. Zahlen müssten dies die Hersteller, fordert der Verkehrsclub Österreich.

Heiße Kartoffel

Während in Deutschland das Bundesverwaltungsgericht also entschieden hat, dass Städte Fahrverbote für Dieselfahrzeuge verhängen dürfen, ist die Grazer Verkehrsstadträtin Elke Kahr (KPÖ) jedenfalls dankbar dafür, dass sich jemand des heiklen Themas annimmt. Kein Politiker, sei es auf Stadt-, Landes- oder Bundesebene, spreche gerne Verbote aus, schon gar nicht so umstrittene wie Fahrverbote für ältere Pkws. Da schiebe man sich in der Politik gerne einmal die heiße Kartoffel zu.

"Wir brauchen aber Sofortmaßnahmen", sagt Kahr zum STANDARD. Verständlich angesichts des seit Jahren verhältnismäßig erfolglos geführten Kampfs gegen hohe Feinstaub- und Stickstoffdioxidwerte. Der deutsche Beschluss – so ihre Einschätzung – könnte der Entscheidungsfreudigkeit heimischer Politiker auf die Sprünge helfen.

Lage in Österreich

Auch wenn in Österreich die Lage in Sachen gesundheitsschädliche Belastungen weniger brisant ist als in Deutschland, harmlos ist sie nicht. Zwar liegt Österreich unter den EU-Emissionsvorgaben – zumindest was den Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm betrifft –, doch an manchen Brennpunkten sieht es ziemlich unerfreulich aus. Vor allem zeigen Messungen des Umweltbundesamts, dass betroffene Städte oft ein multiples Problem haben.

In Gebieten mit hoher Stickoxidbelastung ist meist auch jene mit Feinstaub hoch. Besonders betroffen von Grenzwertüberschreitungen gemäß Immissionsschutzgesetz (IG-L) sind naturgemäß Ballungsräume wie Wien, Graz, Linz und Salzburg – entlang verkehrsbelasteter Straßen und Autobahnen –, aber auch kleinere Städte wie Hallein und St. Pölten. Wobei den vorläufigen Daten für 2017 zufolge die Stickstoffdioxidbelastung in der Tiroler Gemeinde Vomp am höchsten ist und Graz beim Feinstaub an unrühmlicher Spitze liegt. Mancherorts werden Spitzenwerte über 90 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen. Im Mittelwert sieht die Lage besser aus. In Graz werden die Werte öfter als an den 35 erlaubten Tagen überschritten.

Verkehrsstadträtin Kahr will deswegen Nägel mit Köpfen machen – so bald wie möglich. Als Erste-Hilfe-Maßnahme wären ihr am liebsten Gratis-Öffis während der Wintermonate. "Das wäre am raschesten umzusetzen." Auch wenn damit ein Einnahmenentfall für die Verkehrsbetriebe einherginge und wohl die Jahreskartenbesitzer maulen würden. "Das würde die Sache rechtfertigen." Kahr könnte sich auch autofreie Tage vorstellen – ausgenommen wären Gewerbe und Handwerker. "Die wären zumindest nicht unsozial." Von einer Citymaut hält sie wenig – wie auch Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP). Derzeit tüftelt eine Expertenkommission an möglichen Szenarien, im Mai soll der Bericht vorliegen. Für jede Maßnahme brauche man eine Mehrheit, sagt Kahr. Was auch immer herauskommt, es soll in Graz noch heuer kommen.

Österreich scheut Verbote

Im Dieselland Österreich steht Graz mit solchen Plänen noch recht alleine da. Kein Thema sind Fahrverbote jedenfalls für Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ). Selbst in Wien, wo der scheidende Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) Fahrverbote zumindest nicht ausschließen wollte, lehnte Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) Umweltzonen jüngst ab – mit einer Studie des Umweltbundesamts zur Luftgüte im Gepäck. Seit sechs Jahren unterschreite die Stadt nun schon die Feinstaubgrenzwerte. Der Jahresmittelwert lag 2017 bei 19 Mikrogramm, auch die 23 Tage, an denen der Wert von 50 Mikrogramm im Tagesmittel überschritten wurde, sind für Sima ein Grund zur Freude.

Die heimischen Dieselfahrer dürfte das wenig beruhigen. Denn auch wenn die Liebe zum Diesel merklich abgekühlt ist, immer noch sind auf Österreichs Straßen mit 2,77 Millionen Autos mehr Diesel als Benziner (2,08 Millionen) unterwegs. Zu Hochzeiten vor 15 Jahren fuhren allerdings noch 70 Prozent einen Diesel. So mancher davon ist wohl immer noch in Gebrauch. Denn mehr als ein Drittel des gesamten Autobestands ist älter als zehn Jahre. Abgasskandal und die Diskussion über Fahrverbote hinterlassen erst seit dem Vorjahr deutliche Spuren. E-Autos bleiben mit gut 14.600 Zulassungen dennoch ein Minderheitenprogramm.

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Auch wenn die Liebe zum Diesel merklich abgekühlt ist, immer noch sind auf Österreichs Straßen mit 2,77 Millionen Autos mehr Diesel als Benziner (2,08 Millionen) unterwegs.
Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Ein Fahrverbot wird vor allem Besitzer älterer Modelle direkt treffen. Davon, welche Schadstoffklassen im Fall des Falles genau betroffen sein würden, hinge jedenfalls viel ab. Rund eineinhalb Millionen Dieselfahrzeuge erreichen jedenfalls maximal die Euro-4-Norm. Sie wären von einem Verbot massiv betroffen. Deutsche Experten wie Ferdinand Dudenhöffer empfehlen ihren Landsleuten schon einmal, auf den Diesel künftig lieber zu verzichten. "Wer viel auf dem flachen Land fährt und nie in die Großstädte muss, der soll seinen Diesel weiterfahren. Wer in der Großstadt wohnt und das Auto täglich braucht, sollte sein Dieselauto verkaufen", so Dudenhöffer. Wer seinen Diesel noch loswerden wolle, möge sich beeilen. Denn der Markt für Gebrauchte werde einbrechen. Spätestens dann, wenn die Umtauschprämien der Hersteller auslaufen. Gut möglich, dass dann vermehrt Gebrauchtautos den Weg nach Österreich finden, was die Preise ebenfalls drücken könnte.

Auch wenn es am Markt derzeit noch kaum zu spüren ist, Autohandel und Autofahrerklubs warnen seit Monaten vor einem massiven Wertverlust. "Der österreichische Pkw-Bestand hat einen Wert von rund 42 Milliarden Euro. Sinkt der Wiederverkaufswert von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor aufgrund einer verunsichernden Diskussion um ein Viertel, sind die österreichischen Autobesitzer ohne eigenes Zutun um zehn Milliarden Euro ärmer", rechnete ÖAMTC-Vertreter Bernhard Wiesinger vor.

Die Angst der Industrie

Der Autohandel- und Automotive-Industrie steht angesichts der Diskussion wohl nicht zu Unrecht der Schweiß auf der Stirn. Auch wenn die heimische Zulieferbranche im Vergleich zu den Nachbarn nur einen Bruchteil von deren Bedeutung hat: Auch hierzulande hängen laut Zahlen der Industrie 230.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt an der Dieseltechnologie. Geht es dem Diesel schlecht, spüren das die Hersteller, wie am Beispiel des BMW-Motorenwerks in Steyr zu sehen ist. Wie DER STANDARD berichtete, gab es zwar zuletzt Zuwachs bei Benzinern, die Dieselerzeugung ging aber um gut zehn Prozent zurück, was den Kostendruck noch einmal erhöht.

Und die Entwicklung steht wohl erst am Anfang. Vor allem betrifft sie nicht nur den Diesel. Immer mehr Autobauer legen ihre Ausstiegspläne für den Einsatz von Verbrennungsmotoren vor. Immer mehr Länder treten mit entsprechenden konkreten Absichtserklärungen an. Das Problem: Ein Elektromotor besteht aus 200 Teilen, ein Benzin- oder Dieselmotor aus 2.000. Vom Kolben über Getriebe bis Auspuff werden viele Teile überflüssig. Was wohl auch einige Autozulieferer treffen wird. Wie genau? Laut einer A.-T.-Kearney-Studie zu den Auswirkungen der E-Mobilität sind nicht weniger Maschinen an Bord eines E-Autos, sondern andere. Die Herausforderung für die Maschinenbauer ist die Unsicherheit über den Zeitpunkt des Spurwechsels, sagt Roland Feichtl vom Europäischen Verband der Maschinenbauer. (Regina Bruckner, 27.2.2018)