Mehr als 40 Bewerber wollten in den VfGH einziehen – darunter der Burschenschafter Andreas Hauer.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Den allersouveränsten Eindruck habe Andreas Hauer bei seinem Hearing nicht gemacht, erzählen ÖVPler hinter vorgehaltener Hand. Der oberösterreichische Professor stellte sich letzten Freitag den Fragen der Abgeordneten des Bundes- und des Nationalrates. Sie haben die Aufgabe, Vorschläge für zwei noch offene Posten am Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu machen (bestellt wird er vom Bundespräsidenten).

Realpolitisch spielen die Parteispitzen bei solchen Postenvergaben aber natürlich eine wesentlich größere Rolle als die Parlamentsfraktionen. Und wie berichtet soll es die informelle Absprache zwischen ÖVP und FPÖ geben, dass die zwei Richter den Blauen zufallen (die ÖVP brachte bereits Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter in den VfGH).

"Multikriminelle Gesellschaft"

Erklärter Favorit für ein Ticket ist eben der 52-jährige Burschenschafter Hauer, der am Wochenende für neue Diskussionen sorgte. In einem nun publik gewordenen Vortrag hatte er 2010 erklärt, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sei "mitverantwortlich für die multikriminelle Gesellschaft".

In Belangen der Fremdenpolizei kritisierte Hauer auch die Judikatur des EGMR, weil dieser bei Entscheidungen zu "aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegenüber straffälligen Fremden" einseitig agiere und "grundrechtlich anerkannte Interessen des Fremden" nicht den Grundrechten der Verbrechensopfer gegenüberstelle.

"Sonderbares Verhalten"

Verfassungsrechtler Heinz Mayer spricht von einem "sonderbaren Verhalten für jemanden, der Verfassungsrichter werden will". Mayer zum STANDARD: "Außerdem stimmt es nicht. Der EGMR ist in seiner Judikatur sehr ausgewogen und differenziert." Aber klar sei: Die Menschenrechtskonvention gelte für alle, die neu in ein Land kommen, das sehe Hauer offenbar anders. Wobei der Jurist auch hinzufügt: Abgesehen vom zitierten Vortrag sei Hauer bisher in der Fachwelt nur positiv aufgefallen. "Er gehört sicher zu den besseren seines Faches."

Wie es in ÖVP-Kreisen heißt, dürfte sich an der Nominierung Hauers auch nichts mehr ändern. Eben weil es eine Absprache mit der FPÖ gibt, an die man sich halten müsse. Die sorge zwar informell für Grummeln in den Abgeordnetenreihen, öffentliche Kritik gibt es aber bisher nicht.

Wirtschaft lobbyiert

Einige haben die Hoffnung, Hauer zu verhindern, aber noch nicht ganz aufgegeben. So wird berichtet, dass der schwarze Wirtschaftsflügel dafür lobbyiert, den früheren Vizegeneraldirektor der Sozialversicherungsanstalt der Gewerbetreibenden, Thomas Neumann, zum VfGH-Richter zu machen. Beworben hat er sich.

Und Signale, dass er Chancen haben könnte, gab es auch – allerdings vor dem Deal mit der FPÖ. Seine Anhänger werben nun mit folgendem Argument: Die SPÖ werde jede Reform im Gesundheitssektor vor das Höchstgericht bringen. Und aktuell würde wohl die der SPÖ nahestehende Richterin Sieglinde Gahleitner die Sozialversicherungsmaterien aufbereiten. Das, so das Kalkül, könnte die Wahrscheinlichkeit einer Aufhebung erhöhen. Ein Richter Neumann könnte hingegen in die gegenteilige Richtung einwirken.

Final entschieden wird in den kommenden Tagen. Am Dienstag geht der zweite Teil des Hearings über die Bühne. An der Reihe ist unter anderen FPÖ-Medienanwalt Michael Rami, der als zweiter Wunschkandidat der Blauen gilt. (Günther Oswald, 27.2.2018)