Seit Tagen ist Ostghouta unter schwerem Beschuss.

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Auch am Dienstag stiegen wieder Rauchsäulen über der Stadt auf.

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Moskau – Die Rebellen in der belagerten syrischen Enklave Ostghouta halten sich nach russischen Angaben nicht an die Feuerpause. Der humanitäre Korridor, über den Zivilisten das Gebiet östlich von Damaskus verlassen sollten, werde massiv von Rebellen beschossen, meldete die Nachrichtenagentur Tass am Dienstag unter Berufung auf das russische Militär. Kein einziger Zivilist habe deshalb bisher evakuiert werden können.

Vertreter der Rebellengruppe Jaish al-Islam dementierten das umgehend. Sie würden den humanitären Korridor nicht angreifen und auch nicht Zivilisten davon abhalten, den Ort zu verlassen. "Die Zivilisten treffen ihre eigenen Entscheidungen", sagte Yasser Delwan, ein Sprecher der Gruppe.

Das russische Militär gab außerdem an, dass die syrische Armee bisher nicht auf die Rebellen-Angriffe reagiert habe. Ein Sprecher des Kremls, Dmitry Peskov, sagte am Dienstag, dass die Evakuierung von den Rebellen abhängen würde.

ORF-Bericht über die gescheiterte Feuerpause
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Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London berichtete, dass zwei Orte in der Enklave aus der Luft angegriffen wurden. Ein UN-Sprecher appellierte an beide Seiten, die 30-tägige Waffenruhe so rasch wie möglich umzusetzen.

30-tägige Waffenruhe von 8–13 Uhr

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Montag angeordnet, dass die Angriffe der von Russland unterstützen syrischen Streitkräfte auf das Gebiet östlich der Hauptstadt Damaskus jeden Tag von 8 Uhr bis 13 Uhr MEZ eingestellt werden sollen. Das solle den Bewohnern ermöglichen, die Kampfzone zu verlassen. Zudem sollen Hilfsorganisationen so die Möglichkeit erhalten, Nahrungsmittel und Medikamente zu den hungerleidenden Menschen zu bringen.

Ostghouta hat in den vergangenen neun Tagen die schlimmste Angriffswelle der Regierung seit Beginn des Bürgerkriegs vor fast sieben Jahren erlebt. Die Syrische Beobachtungsstelle meldete, dass mehr als 560 Zivilisten getötet wurden. Rund 400.000 Menschen sind fast vollständig von der Außenwelt abgeschnitten.

Feuerpause laut Hilfsorganisation viel zu kurz

Kritiker bemängeln, dass die geplante fünfstündige Feuerpause viel zu kurz sei. "Wer das vorgeschlagen hat, ist ein Folterexperte", schrieb Mohammed Katoub von der Hilfsorganisation Syrian American Medical Society auf Twitter. "Es ist, als halte man das Opfer am Leben, um ihm noch mehr Schmerzen zuzufügen."

Der lokale Rat von Ostghouta nannte das Angebot eines Abzugs von Zivilisten zudem eine "Zwangsvertreibung". Die Menschen hätten nur die Wahl, unter der Bombardierung zu sterben oder ihr Land zu verlassen.

Hilfe dringend benötigt

Wie rasch dringend benötigte Hilfe zu den Menschen kommen kann, war am Dienstag nicht absehbar. Der Abteilungsleiter für Internationale Zusammenarbeit beim Deutschen Roten Kreuz, Christof Johnen, sagte, noch gebe es keine Zusicherung aller Konfliktparteien für sicheres Geleit. Nur wenn diese vorliege, würden die Helfer des syrischen Roten Halbmondes und des Internationalen Roten Kreuzes in die Enklave fahren können. Auch er meinte, dass fünf Stunden dafür sehr knapp seien. Es bleibe noch abzuwarten, wie die Rebellen reagierten. "Sobald wir grünes Licht haben, werden wir mit sehr vielen Hilfsgütern, um Zehntausende Menschen versorgen zu können, hereinfahren."

Mehr als 1000 Kranke und Verletzte befinden sich auf einer Evakuierungs-Liste des Roten Halbmondes, so die Weltgesundheitsorganisation.

Untersuchung zu gemeldetem Chlorgaseinsatz

Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) untersucht unterdessen, ob bei einem Angriff auf Ostghouta am Sonntag Giftgas eingesetzt wurde. Mediziner der Opposition hatten berichtet, viele Menschen hätten nach einer enormen Explosion Symptome einer Chlorgas-Exposition gezeigt. Ein Kind sei gestorben. Mindestens 18 Menschen seien behandelt worden.

Nach den USA und Frankreich deutete auch Großbritannien am Dienstag seine Bereitschaft an, sich an gemeinsamen Militäraktionen gegen die syrischen Streitkräfte zu beteiligen, sollte der Einsatz von Chemiewaffen nachgewiesen werden. Die syrische Regierung und ihr Verbündeter Russland haben stets bestritten, Giftgas einzusetzen.

2013 hatte sich Syrien zur Aufgabe aller Chemiewaffen verpflichtet. In den vergangenen zwei Jahren hat die syrische Armee nach Erkenntnissen der Vereinten Nationen und der OPCW das Nervengift Sarin und auch Chlor eingesetzt. (Reuters, APA, 27.2.2018)