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Paolo Gentiloni, aktuell Premierminister von Italien.

Foto: AP/Antimiani

Rom – Als er Ende 2016 anstelle des zurückgetretenen Ministerpräsidenten Matteo Renzi zum Premier ernannt worden war, hatte ihm kaum jemand mehr als ein paar Monate an Italiens Regierungsspitze zugetraut. Inzwischen ist Paolo Gentiloni seit über einem Jahr im Amt, ist aus dem Schatten seines Vorgängers Renzi getreten und hat gute Chancen, nach den Parlamentswahlen am 4. März im Sattel zu bleiben.

Vom Übergangspremier zum Stabilitätsfaktor: Der eher schüchtern wirkende Gentiloni hat mit seiner diplomatischen Art in den vergangenen Monaten stark an Popularität gewonnen. In seinen 14 Monaten Amtszeit hat sich der 63-jährige Aristokrat als Garant für politische Beständigkeit im turbulenten Rom profiliert. Laut Umfragen ist der Premier wesentlich beliebter als sein Parteichef Renzi.

Nach dem Ende der Ära des stürmischen Renzi ist es ruhiger geworden um den Palazzo Chigi, den Regierungssitz in Rom. Statt Renzis jovialem Umgang bevorzugt Gentiloni den sachlichen Dialog, statt energiegeladener Ansprachen setzt der Regierungschef auf emsige Arbeit hinter den Kulissen. Gentiloni drängt sich nicht auf und ist im Gegensatz zu seinem technologisch versierteren Vorgänger nicht allgegenwärtig in den sozialen Netzwerken und Fernsehprogrammen des Landes. Mit seinem ruhigen und bescheidenen Stil hat er inzwischen die Sympathien vieler Italiener erobert, die ihn zu Beginn seines Mandats eher skeptisch beäugt hatten.

Konservative Erziehung

Der Erbe der Grafen Gentiloni Silveri lebt in einem noblen Palazzo fast vis-a-vis vom Quirinalpalast, Sitz von Staatspräsident Sergio Mattarella, der ihm im Dezember 2016 den Regierungsauftrag erteilt hat. Mit Mattarella hat der Premier die katholische Erziehung und das ruhige Auftreten gemein. Im Gegensatz zu Renzi, der sich von der toskanischen Provinz aus eine rasante Karriere aufgebaut hatte, vertritt der eher wenig charismatisch wirkende Ministerpräsident eine römische Führungselite, die im Zeichen der Kontinuität arbeitet. Schließlich sitzt Gentiloni seit 16 Jahren im Parlament.

"Paolo der Ruhige", wie Gentiloni vom früheren EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi genannt wird, scheint sich in seiner Rolle als Regierungschef immer wohler zu fühlen und hat deutlich an Sicherheit gewonnen. War er bei seinem Amtsantritt von Gegnern bezichtigt worden, eine "Fotokopie" der Regierung Renzi auf die Beine gestellt zu haben, hat sich das Kabinett Gentiloni mittlerweile ein eigenes Profil erarbeitet. Gentiloni wandelt längst nicht mehr auf den Spuren seines impulsiven Vorgängers, für den er inzwischen ungewollt zum gefährlichen parteiinternen Konkurrenten im Rennen um das Premieramt nach den Wahlen geworden ist.

In den vergangenen Monaten hat Gentiloni zwar den von Renzi begonnenen Reformweg weitergeführt, setzte aber in der Regierungsarbeit auch neue Impulse und entwickelte nach und nach ein eigenes Programm. Gentiloni profitiert auch stark vom Wirtschaftsaufschwung, den Italien seit Anfang 2017 zu spüren bekommt.

Garant für Beständigkeit

Als Übergangsregierung mit raschem Ablaufdatum eingesetzt, vermittelt die Regierung Gentiloni mittlerweile den Eindruck von Beständigkeit. Die Italiener trauen dem Premier inzwischen zu, dass er das Land auch nach den Parlamentswahlen führt. Gentiloni könnte sich an die Spitze einer Großen Koalition aus der rechtskonservativen Forza Italia um Silvio Berlusconi und Renzis PD stellen. Eine Große Koalition wäre in Rom kein Novum: Schließlich hatte das Duo Berlusconi-Renzi 2013 gemeinsam bereits die Regierung unter Enrico Letta unterstützt.

Gentiloni, der in einem römischen Wahlkreis um einen Sitz in der Abgeordnetenkammer kämpft, hebt im Wahlkampf immer wieder die Zuverlässigkeit seiner Partei hervor. Die PD wolle eine europafreundliche und stabile Regierung aufbauen, die sich für eine offene Gesellschaft einsetze. Der Premier hat wiederholt vor der Gefahr eines Wahlsiegs von Berlusconis Mitte-Rechts-Allianz gewarnt, die die in der letzten Legislaturperiode durchgeführten Reformen rückgängig machen könnte, unter anderem in Sachen Pensionen und Arbeitsmarkt.

Inzwischen muss auch der ambitionierte Renzi einsehen, dass Gentiloni die besten Chancen auf einen Amtsverbleib nach den Parlamentswahlen am 4. März hat. "Gentiloni wird seine Karten ausspielen", betonte Renzi zuletzt. Rückendeckung hat Gentiloni zuletzt auch von Brüssel und von Prodi erhalten. (APA, 27.2.2018)