Dass Haare ausfallen, ist normal. Auf die Menge kommt es an.

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Fülliges, gesundes Haar ist ein Zeichen von Attraktivität. Doch häufig ist das Gegenteil der Fall: Die Haare am Kopf schwinden. Wer seine Haarpracht auf lange Sicht möglichst behalten will, sollte frühzeitig handeln. Denn: "Wenn die Haarwurzel einmal verschwunden ist, kommt sie nicht mehr wieder", sagt die Wiener Hautärztin Elisabeth Weeger-Marek, die sich in ihrer Privatpraxis auf Haar- und Kopfhautprobleme spezialisiert hat.

Die Haare befinden sich in einem andauernden Zyklus von Wachsen und Ausfallen. "Haarausfall an sich ist ein natürlicher Vorgang. Bis zu 100 Haare fallen jedem Menschen pro Tag aus, das ist normal", erklärt Daisy Kopera, Leiterin des Zentrums für Ästhetische Medizin an der Grazer Hautklinik.

Fragwürdiger Nutzen von Haaranalysen

Der Gang zum Spezialisten ist dann angebracht, wenn an bestimmten Stellen der Kopfhaut nicht ausreichend viele Haare nachwachsen, sich die Haare am Oberkopf lichten oder der Scheitel ein Stück weit breiter sichtbar wird. Erst wenn die Gründe für den Haarausfall bekannt sind, ist eine adäquate Therapie möglich.

Die Methoden für das Abklären möglicher Ursachen reichen von der klinischen Untersuchung mit Blickdiagnose über Blutanalysen im Labor bis hin zur mikroskopischen Betrachtung von Hautproben und Kopfhaut. "Vielfach angepriesene 'Haaranalysen' kosten viel Geld und bringen meistens nichts, da mögliche Ursachen von krankhaftem Haarausfall an der Haarwurzel selbst beziehungsweise in der Kopfhaut liegen", erklärt Kopera.

Warnung vor Selbstmedikation

Auch Weeger-Marek warnt zur Vorsicht bei Selbstdiagnose und -behandlung: "Haarausfall ist etwas, das in allen gesellschaftlichen Schichten als behandlungswürdig angesehen wird. Zu diesem Zweck wird durchaus Geld ausgegeben, aber leider oft über Jahre hinweg ineffizient, weil die Gründe für den Haarausfall nicht abgeklärt wurden."

Die Expertin unterstreicht die Wichtigkeit der Anamnese. Unter anderem deshalb, weil auch äußere Einwirkungen wie neue Medikamente, schwere Operationen, Blutverlust oder schwere Infekte im Nachhinein Haarausfall auslösen können.

Doch auch die vom Arzt verschriebenen Medikamente gegen Haarausfall können ein Risiko von zum Teil erheblichen Nebenwirkungen in sich bergen. Bekannt ist etwa, dass der Wirkstoff Finasterid, der erwachsene Männer vor Haarausfall bewahren soll, impotent machen kann. Einer Studie der Northwestern University Feinberg School of Medicine in Chicago aus dem Jahr 2017 zufolge hielt die erektile Dysfunktion bei einem kleinen Teil der Patienten sogar noch Jahre nach dem Absetzen des Mittels an.

Haarausfall häufig vererbt oder hormonell bedingt

Erblich bedingter Haarausfall, auch androgenetische Alopezie genannt, ist eine der häufigsten Ursachen dafür, warum die Haarpracht lichter wird. Bei Männern weicht die Haarlinie an der Stirn zurück, oder das Haar wird am Oberkopf dünner. Bei Frauen bleibt der Haarkranz stets erhalten, aber die Haare am Oberkopf werden weniger dicht.

Wann erblich bedingter Haarausfall beginnt, ist nicht prognostizierbar, er kann bereits ab dem frühen Erwachsenenalter einsetzen. Relativ häufig ist auch hormonell bedingter Haarausfall, etwa bei einer Schilddrüsenunterfunktion oder im Falle einer Hyperandrogenämie, einem Zuviel an männlichen Geschlechtshormonen.

Beide Arten von Haarausfall – erblich und hormonell bedingt – können einigermaßen gut behandelt werden. "Leider ist auch diese Form von Haarausfall manchmal relativ schwer zu beeinflussen", sagt Kopera. Behandelt wird mit einer medikamentösen Therapie und speziellen Lösungen, die auf die Kopfhaut aufgetragen werden. Ideal sei eine Kombinationstherapie, betont die Expertin.

Selten, aber dramatisch: Vernarbender Haarausfall

Sehr selten, dafür mit dramatischen Auswirkungen verbunden ist der vernarbende Haarausfall. "Dabei handelt es sich um einen haarmedizinischen Notfall, denn wo Narben entstehen, stirbt die Haarwurzel für immer ab", erklärt Weeger-Marek. Die Gründe dafür sind vielfältig und nicht immer genau abzuklären. So kann die Ursache beispielsweise in unterschiedlichen seltenen Erkrankungen liegen.

Meistens handelt es sich um eine autoimmunologisch bedingte Entzündung, durch die Haarwurzeln zerstört werden. Um den vernarbenden Haarausfall zu stoppen, muss neben dem Haarausfall auch die zugrundeliegende Erkrankung behandelt werden. "Diagnose und Behandlung müssen früh erfolgen, um zu verhindern, dass in den bereits vernarbten Arealen keine Haare mehr nachwachsen", erklärt Kopera.

Kreisrunder Haarausfall ist eine Immunreaktion

Darüber hinaus gibt es eine lokalisierte Form von Haarausfall. Sie beginnt mit kreisrunden kahlen Stellen und wird deshalb auch kreisrunder Haarausfall genannt. Bei dem in der Fachsprache als Alopecia areata bezeichnetem Phänomen handelt es sich um eine Immunreaktion, die vermutlich durch Stress oder chronische Belastung ausgelöst wird.

Die Folge: Die Haarwurzeln verweilen an manchen Stellen der Kopfhaut in einer verlängerten Ruhephase. Während dieser Zeit wächst kein Haar aus der Haarwurzel, sie "schläft" sozusagen. "Das Gute daran ist, dass die Haarwurzeln überleben", erklärt Kopera. "Somit kann es nach der 'Bewältigung' der Ursache jederzeit wieder zum Nachwachsen der Haare kommen, auch nach Jahren."

Es ist möglich, dass sämtliche Körperhaare wie etwa auch die Augenbrauen in Mitleidenschaft gezogen werden. Das ist aber eher selten der Fall. Kinder können ebenso betroffen sein wie Erwachsene. Die Ursachen für diese Erkrankung sind meist psychosomatisch: Stress durch chronische Belastung, Überanstrengung, vorangegangene Erkrankungen oder Operationen. "Deshalb ist in solchen Fällen eine Lokalbehandlung oder eine Tabletteneinnahme nicht hilfreich", erklärt Kopera. Oft helfe aber eine Psychotherapie, um die zugrundeliegenden Probleme zu bewältigen. (Maria Kapeller, 28.2.2018)