Fancy Hot Dogs mit Beef Tartare oder Gänseleber in einer prachtvoll zerdepperten k. u. k. Kunsttischlerei.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Derart raffiniert garnierte Würstel kannte man in Wien bisher nicht, erst recht nicht in so eleganter, mittelfingerdicker Ausformung in exakt passenden Brioche-Buns.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Es ist besser, wenn man die bröckelnde Pracht der Ausstellungshallen einer früheren k. u. k. Kunsttischlerei entdeckt, ohne allzu genau zu erahnen, was einen erwartet. Dann haut einen die überwuzelte, schamlos auf Effekt schielende Architektur mit marmornen Säulen, kunstvoll gedrechselten Balustraden, Showtreppen und einer Kaskade von Sälen und Separees zuverlässig vom Hocker.

Deshalb nur so viel: Die abenteuerlich kakanische Location vergammelte über Jahrzehnte als Möbellager, umso spektakulärer soll sie nun wachgeküsst werden. Der erste Schritt war die Design Week, die hier 2016 ihr Hauptquartier aufgeschlagen hatte. Bis Ostern läuft ein Pop-up-Store für Vintagemöbel und skurrile Einzelstücke aus der Lichterloh-Schatzkammer, das nebenbei als Cocktailbar bespielt wird. Reinhard Pohorec, international gefragter, in Wien für seine Kreationen in der Tür 7 bekannter Keeper, konnte als Headliner gewonnen werden und soll zumindest unter der Woche auch selber drinstehen. Mindestens so außergewöhnlich aber ist das Essen, das dazu serviert wird – und zwar obwohl es nur Hot Dogs und ein paar kalte Desserts gibt.

Velich-Wein & Hot Dogs

Die ebenso frechen wie elaborierten Kreationen hat sich Friederike Seiler einfallen lassen. Sie ist das eigentliche Mastermind hinter dem Projekt und will die Location im kommenden Jahr zu einem in vieler Hinsicht außergewöhnlichen Restaurant adaptieren. Die studierte Sinologin hat einst bei Christian Petz in der Kombüse des Badeschiffs geschuftet, verbrachte die letzten Jahre aber damit, Metropolen wie New York, Schanghai oder London den gastronomischen Puls zu fühlen.

Aber schön der Reihe nach: Derzeit wird die unwirklich wirkende Szenerie noch von Russenlustern (allerdings mit Glühfadenlampen) beleuchtet und mit Edeltrash der 1970er- und 1980er-Jahre beschallt. Aus dem Fundus der Lichterloh-Antiquare stammen Flipper, diverses Karussell-Mobiliar oder ein XL-Wuzler für acht Spieler. Wer vor Kreativ-Cocktails Respekt hat, darf sich an Gin & Tonics und Moscow Mules festhalten oder auf Wein der Gebrüder Velich und Champagner von Billecart-Salmon (wird von Heinz Velich importiert) um vergleichsweise handzahme 51 Euro die Flasche ausweichen.

Die "Haute Dogs" sind tatsächlich beachtlich: Derart raffiniert garnierte Würstel kannte man in Wien bisher nicht, erst recht nicht in so eleganter, mittelfingerdicker Ausformung in exakt passenden Brioche-Buns. Als "François" mit Käsekrainer, Pfefferoni, exzellentem Senf, Gurkerln und Röstzwiebeln wirken sie noch einigermaßen konventionell, dafür fährt "Jean Paul" mit Frankfurter, frischer Ananas, Camembert und Kokos schon eine ziemlich funkige Toast-Hawaii-Linie, die am Gaumen mehr als nur gefällig aufschlägt.

Pawlowa extraordinaire

"Napoleon" mit Beef Rib, kurz gebratener Gansleber, Apfel-Ingwer-Chutney und Kren ist wohl eines der elaboriertesten Sandwiches, die die Stadt derzeit zu bieten hat, fantastisch animierendes Barfood. Das lässt sich auch von der Variante mit Pulled Pork, Thai-Kräutern, Erdnüssen und Gurkenrelish sagen. Alle Dogs werden mit guten Pommes serviert, man sollte aber Platz für Süßes lassen.

Nach dem Genuss der "chewy" Mini-Pawlowas wie "Banana Mess" mit Bananen-Rum-Karamell (geradezu verboten geil) oder "Heiße Liebe" (ebenso klassisch wie hinreißend mit Himbeeren, Schlagobers und Rosenessenz) ist man zwar ziemlich klebrig, aber auch glücklich. Dass hier schon beim Pop-up solche Oberklassedesserts serviert werden, lässt die Erwartungshaltung auf das, was da in einigen Monaten entstehen soll, umso höher steigen. (Severin Corti, RONDO, 2.3.2018)

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