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Pro
von Margarete Affenzeller

Wenn Männer sich schminken, so ist das nur die Fortführung einer alten Tradition, die von den Azteken über Mozart und David Bowie bis herauf zu Lars Eidinger reicht, dem deutschen Theaterschauspieler, der manchmal seine Nägel lackiert und hie und da ein wenig Lidschatten aufträgt.

Liebe Eltern, keine Panik! Die Dekoration des eigenen Konterfeis ist Ausdruck von Freiheit (im Umgang mit dem Ich), die Verzierung des Körpers so alt wie die Menschheit selbst. Es werden nicht alle gleich so dick auftragen wie Modemacher Harald Glööckler.

Männer, die mit Highlighter und Bronze-Puder umgehen können, verdienen meine Hochachtung. Denn da gehört auch Disziplin dazu! Schminke hat ja nicht nur den Zweck, durchgemachte Nächte zu kaschieren, sondern sie dient auch der Pflege und Aufwertung der eigenen armen Haut – und das hat doch jeder von uns bitter nötig. Warum dies nur der weiblichen Bevölkerung vorbehalten sein sollte, ist unlogisch. Wimperntusche für alle, bitte! Und die Augenbrauenpartie besorgt eh der türkische Friseur.

Kontra
von Ljubisa Tosic

Mag sein. Es erfordert titanische Kräfte, in Zeiten, da die Übermalung von Wirklichkeit zum Geschäftsmodell avanciert, ein intaktes Selbstbild ohne Doping zu bewahren. Parteien schminken sich – kurzfristig erfolgreich – um. Fotoshop beschert der Wirklichkeit Depressionen. Das gibt Druck. Du bist allerdings, was du bist. Du hast nur diesen Körper – besonders am Morgen danach. Das Aufwachen wird zum Sturz aus Gipfeln der Illusion.

Außerdem der Aufwand. Der Alltag im urbanen Milieu von Industrieländern ist per se ein Ticket in die Hölle des Burn-outs. Die verlorene Zeit vor dem Spiegel und die horrenden Kosten durch Besuche von Schönheitssalons führen direkt in die existenzielle und materielle Pleite.

Keiner muss aussehen, als hätte er in einer Mülltonne übernachtet. Keiner soll wirken, als hätte er in seinem Sarg Probe gelegen. Die Wahrheit aber ist dem Spiegel zumutbar, das betrifft alle Geschlechter. Ja, und die Befreiung des Individuums aus Rollenzwängen ist nicht erreicht, indem Männer plötzlich dachgroße Wimpernkonstrukte ankleben. (RONDO, 9.4.2018)