Wien – "So etwas würde man eher in Rio de Janeiro erwarten und nicht in Wien", begründet Norbert Gerstberger, Vorsitzender des Geschworenengerichts, warum Iulian Z. zu zehn Jahren unbedingter Haft verurteilt wird. Der 20-Jährige war dabei, als ein 53 Jahre alter Angestellter am 12. Oktober 2016 im nächtlichen Wien-Simmering fast totgeprügelt wurde, da Z. und drei Mittäter seinen Opel haben wollten.

Am zweiten Tag des Prozesses gegen den Unbescholtenen liest Gerstberger zunächst noch aus den Akten vor. Das Opfer sagte im Krankenhaus wenige Stunden nach der Tat, drei Männer hätten ihn verprügelt, aus dem Auto gezerrt und weiter geschlagen und getreten, nur der Fahrer sei im Täterauto geblieben. Der Fahrer ist allerdings auch nach Aussagen des Angeklagten sein Cousin Dragan P. gewesen – Z.s Verantwortung im Verfahren, er sei nie ausgestiegen, kann daher nicht stimmen.

Angeklagter sieht sich als Opfer

Bei der Vernehmung durch die Polizei hatte der Rumäne noch zugegeben, dass der Raub ausgemacht gewesen sei und auch er körperliche Gewalt ausgeübt habe. Selbst bei den Jugenderhebungen, aus denen der Vorsitzende zitiert, sprach Z. noch davon, die anderen drei hätten ihn gezwungen zuzuschlagen. "Wollen Sie zu diesem Widerspruch etwas sagen?", gibt Gerstbeger dem Angeklagten eine Chance. "Nein", lautet die Antwort. Also zitiert der Vorsitzende weiter aus den Jugenderhebungen, die zum Schluss kommen, Z. sehe sich "als Opfer seiner Komplizen, eine Opferempathie (für das Raubopfer, Anm.) sei kaum vorhanden".

Gewisserweise ist er tatsächlich ein Opfer: und zwar der Prahlerei seines Cousins. Gegen den war schon in anderem Zusammenhang ermittelt worden, als er auf Facebook ein Foto von sich und einem Komplizen postete – samt dem in Simmering geraubtem Opel. Gewinn machte die Bande nämlich keinen – verkauft wurde das Fahrzeug nie.

Nun erkennt Z. nach kurzer Rücksprache mit seiner Verteidigerin Irene Oberschlick aber 40.000 Euro Schmerzensgeld ebenso an wie 385 Euro an Sachschäden. Oberschlick versucht noch ihr Bestes, um die Lage ihres Mandanten zu verbessern, und beantragt eine Zusatzfrage zur Anklage wegen versuchten Mordes: Es solle auch geprüft werden, ob ein entschuldigender Notstand vorliege. Schließlich habe Z. auch im Prozess behauptet, sein Cousin habe ihn geschlagen, und er habe Angst vor ihm gehabt. Der Senat lehnt diesen Antrag ab: Schließlich behaupte Z. im Prozess ja, er habe gar nichts gemacht, sondern sei nur im Auto gesessen.

Einstimmiger Schuldspruch in beiden Anklagepunkten

Die Geschworenen sprechen den jungen Mann schließlich einstimmig wegen Mordversuchs und Raubes schuldig, bei einem Strafrahmen von ein bis 15 Jahren erhält er zehn Jahre. "Es ist eine der schwersten Straftaten, die möglich sind", begründet Gerstberger die Höhe, die Tat sei noch dazu mit "besonderer Brutalität" ausgeübt worden.

Der Angeklagte nimmt es gefasst aus, erst vor dem Gerichtssaal, wo ihm die Justizwachebeamten ein längeres Gespräch mit seiner aus Italien angereisten Familie erlauben, kommen ihm die Tränen. Er möchte auch so schnell wie möglich nach Italien überstellt werden, um dort seine Strafe zu verbüßen. (Michael Möseneder, 28.2.2018)