Die hohen Temperaturen lassen das Eis auf dem Ozean rund um den Nordpol rapide schmelzen. Durch den freiliegenden Ozean wird noch mehr Wärmeenergie abgeführt, was wiederum der Neubildung von Meereis entgegen wirkt – ein fataler Rückkoppelungseffekt.
Foto: NASA/Kathryn Hansen

Während hierzulande die kalte Jahreszeit mit frostigen Temperaturen ihrem Namen alle Ehre macht, erlebte der Nordpol gerade eine rekordverdächtige "Hitzewelle". Nach bisherigen Messungen könnte sich dieser Winter in der Arktis zu einem der wärmsten seit Aufzeichnungsbeginn entwickeln: Bei Cape Morris Jesup, einer Wetterstation am nördlichsten Punkt Grönlands, wurden von der dänischen Wetterbehörde am vergangenen Wochenende Temperaturen von über Null Grad Celsius registriert.

Zeitweise stieg das Quecksilber im Thermometer sogar auf einen Wert von 6,1 Grad Celsius – für diese Zeit des Jahres sei dies laut den Experten mehr als ungewöhnlich. Eine der Folgen dieses kuriosen Wetterphänomens mitten in der Polarnacht ist, dass arktisches Ozeaneis, welches derzeit eigentlich am dicksten sein sollte, stellenweise gänzlich geschmolzen ist und weite Meeresflächen offen zutage treten. Am 20. Februar bedeckte das Meereis in der Region weniger als 14 Millionen Quadratkilometer. Das ist 1,3 Millionen Quadratkilometer unter dem langjährigen Schnitt, seit 1979 wurde kein geringerer Wert gemessen.

Die rote Linie zeigt den aktuellen Temperaturverlauf in der Arktis, die weiße Line gibt die Durchschnittstemperaturen zwischen 1958 und 2002 wieder.
Foto: Danish Meteorological Institute/ University of California

Erodierender Polarwirbel?

Obwohl Wissenschafter vorerst noch davon ausgehen, dass es sich um einen Ausreißer, eine Wetterkapriole handelt, könnte die Wärmephase ein Anzeichen dafür sein, dass der Polarwirbel über dem Nordpol, der üblicherweise für Tiefsttemperaturen sorgt, aufgrund des Klimawandels allmählich erodiert.

Es ist im übrigen nicht die erste "Hitzewelle", die die Arktis in dieser Saison erlebt: In Sibirien lagen die Temperaturen zeitweise 35 Grad Celsius über dem langjährigen Mittel und in Grönland wurden allein 2018 bereits mindestens 61 Stunden mit Plusgraden gezählt – mehr als dreimal so viele wie in allen bisherigen Wintern. Zwar wurden in vergangenen Jahren ähnliche Wärmephasen in der Arktis registriert, allerdings nicht in diesem Ausmaß.

"Was wir hier beobachten, ist eine herausragende Anomalie, die weit außerhalb der historischen Beobachtungen liegt – und daher sehr beunruhigend ist", meint Michael Mann vom Earth System Science Center an der Pennsylvania State University. "Es lässt weitere klimatische Überraschungen für die Zukunft befürchten."

Die Grafik zeigt die relative Temperatursituation: Je tiefer das Rot, desto wärmer ist die Region im Vergleich zum langjährigen Mittel.
Grafik: Climate Change Institute, University of Maine

Jetstream biegt nach Norden ab

Die meteorologische Ursache für die Wärmewelle sei demnach der Jetstream, der aktuell einen Haken Richtung Norden schlägt und warme Luftmassen aus dem Atlantik mit sich führt. Die Kältewelle in Europa hingegen wird von einem starken Hoch ausgelöst, das eisige Luft aus Sibirien anzapft und nach Mitteleuropa leitet.

Einige Wissenschafter spekulieren, dass ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Phänomenen existiert: Nach der "Warme Arktis, kalte Kontinente"-Hypothese könnte der instabile polare Vortex mehr warme Luft ansaugen, um andernorts im Gegenzug für mehr Kaltfronten zu sorgen.

Robert Rohde, Wissenschafter beim Berkeley Earth Surface Temperature-Projekt, betont gegenüber dem Guardian allerdings, dass diese Theorien umstritten seien und sich nicht mit allen Klimamodellen in Einklang bringen lassen. Fest stehe jedoch, dass man es hier mit einem außergewöhnlichen Wetterereignis zu tun habe: "In den vergangenen 50 Jahren ist das Phänomen sowohl eine der intensivsten, als auch eine der am längsten anhaltenden Wärmewellen, die je im arktischen Winter beobachtet werden konnten", so Rohde. (tberg, 28.2.2018)