Wien – Schwarzgeld von Steuerflüchtlingen aus aller Welt, vergessenes Vermögen von Verfolgten aus der Zeit des Nationalsozialismus, möglicherweise gehortetes Diebesgut der Nazis selbst oder einfach Erspartes der Großeltern – in der Schweiz spielt sogenanntes nachrichtenloses Vermögen eine große Rolle, auch in Österreich ist es Thema. Nachrichtenloses Vermögen sind Einlagen auf Konten oder Sparbüchern, bei denen seit Jahren keine Ein- oder Auszahlungen mehr stattgefunden haben und der Kontakt zum Besitzer abgerissen ist.
Konkrete Zahlen zur Menge herrenlosen Kapitals in Österreich gibt es keine, weder von der Nationalbank noch von der Wirtschaftskammer. Dennoch wird das hiesige Volumen auf 200 Millionen Euro geschätzt. Dieser Wert errechnet sich auf Basis der Zahlen des strukturell ähnlichen Deutschland – ausgehend von einem 10:1-Verhältnis. Der Vergleich der österreichischen Bankenlandschaft mit jener der Schweiz hinkt. Veranlagung hat bei den westlichen Nachbarn eine gänzlich andere Historie.
"Vergessenes Geld" liegt bei der Bank, erfahren Geldinstitute nichts von dem Tod eines Kunden, wird das Konto bzw. das Sparbuch weitergeführt. Nach 30 Jahren verjähren die Ansprüche des Kunden sogar. Theoretisch hat die Bank dann das Geld inne. "Keine Bank in Österreich würde die Verjährungsfrist ausnutzen und danach nicht mehr auszahlen, geschweige denn ein Geschäftsmodell aus dem vergessenen Geld machen", sagt Franz Rudorfer, Branchenvertreter bei der Wirtschaftskammer (WKO). Außerdem halte er dieses Thema in Österreich für überbewertet und die Größenordnung von 200 Millionen Euro für zu hoch.
Schweizer Online-Register
In der Schweiz hat man versucht, der Lage Herr zu werden. Seit 2015 besteht eine gesetzliche Regelung, dass Banken nachrichtenloses Vermögen, dessen Wert 500 Schweizer Franken (CHF) übersteigt und der letzte Kundenkontakt 60 Jahre oder länger zurückliegt, auf der Internetseite www.dormantaccounts.ch publizieren müssen. Meldet sich nach Ablauf einer Frist niemand bei der Bank, geht das Geld an den Staat über. Die Frist beträgt zwischen einem und fünf Jahren. Personen, die Ansprüche in der Schweiz vermuten, können demnach online danach suchen und geltend machen.
Welche Summe an nachrichtenlosen Vermögen bei den Eidgenossen genau herumschwirrt, lässt sich laut der Schweizer Bankiervereinigung nicht bestimmen. Die Datenbank sei dezentral, und die Banken befüllen diese unabhängig voneinander. Auch wie viele Menschen welche Ansprüche geltend machen würden, lasse sich nicht konkretisieren.
Im Jahr 2016 plante die Eidgenössischen Finanzverwaltung mit 600 Millionen Franken für 15 Jahre, die durch die Gesetzesnovelle in die Staatskasse fließen sollten. Doch die deutsche Wirtschaftswoche berichtete damals – basierend auf vermeintlichem Insiderwissen – von 50 Milliarden Franken.
Heimfallsrecht
In Österreich besteht das sogenannte Heimfallsrecht. Wenn es nachweislich keinen Anspruch von Erben gibt, fällt der Nachlass an den Staat. Auf diese Art und Weise fließt in Österreich jährlich rund eine Million Euro in die Staatskasse. "Für das Budget spielt die Summe keine wesentliche Rolle", sagt ein Sprecher des Finanzministeriums. Zum Vergleich: Laut Nationalbank lagern knapp 138 Milliarden Euro auf den heimischen Sparbüchern. Nachrichtenloses Vermögen fällt in einen anderen Kompetenzbereich und somit nicht unter das Heimfallsrecht, der Sparer steht in einer vertraglichen Beziehung mit der Bank.
Bestrebungen – nach Schweizer Vorbild -, ein Register einzuführen, gibt es in Österreich laut Finanzministerium ebenso keine. "Ein Register wie in der Schweiz wäre für Österreich im Kosten-Nutzen-Verhältnis sehr unökonomisch" meint Rudorfer. (Andreas Danzer, 3.3.2018)