Von links: Strobl (STANDARD), Ederer (Versorgungssicherheit), Weinelt (Wiener Stadtwerke), Ilo (TU Wien) und Plank (BMNT).

Foto: Andy Urban

Wien – Stellen Sie sich vor, Sie bleiben im Lift stecken oder hängen hoch oben am Sessellift, weil der Strom ausfällt. Mit diesen Worten leitet Moderator und STANDARD-Redakteur Günther Strobl die Diskussion "Standpunkte" in Wien zum Thema Energienetze der Zukunft ein. Ein sogenanntes "Blackout", also einen Totalausfall, wünsche sich niemand. "Unser Energienetz befindet sich in einem großen Umbruch", meint Brigitte Ederer vom gemeinnützigen Verein Forum Versorgungssicherheit, "vor allem durch den Aufstieg von erneuerbaren Energien." Denn Sonneneinstrahlung schwanke genauso wie die Stärke des Windes, was die Stromerzeugung insgesamt schwieriger planbar mache. Der Energiemarkt individualisiere sich immer stärker, Konsumenten werden zu sogenannten "Prosumern", die sich mit Solarpanels ihren eigenen Strom erzeugen. Das führe auch zu sozialen Fragen, etwa wer die Kosten für jene übernimmt, die nicht genug Geld haben, um eigenen Strom zu produzieren.

Überlastung durch E-Autos

Herausforderungen sieht Ederer beim Strombedarf von Elektroautos. Es könnte das Stromnetz überlasten, wenn viele zur selben Zeit geladen werden müssen. Heimische Netzbetreiber sollten ihren Strom speichern dürfen, um das Netz im Falle von Dunkelflauten, das heißt, wenn weder die Sonne scheint, noch der Wind bläst, vor dem Ausfall zu bewahren. Im Falle eines Stromüberschusses könnte daraus vermehrt Gas erzeugt werden, das wieder in die Infrastruktur eingespeist werden könnte.

Für eine sogenannte Sektorkopplung von Strom und Gas spricht sich auch Peter Weinelt aus, Generaldirektor-Stellvertreter bei den Wiener Stadtwerken. Während es Anfang der 90er-Jahre gerade einmal ein bis zwei Dutzend Kraftwerksbetreiber in Österreich gab, habe sich die Einspeisung in das Energienetz bis heute vertausendfacht. Die Infrastruktur bei den Netzen habe es nicht geschafft, in derselben Geschwindigkeit mitzuwachsen.

Um mit dem Aufgebot an kleinen dezentralen Stromerzeugern fertigzuwerden, arbeitet die TU-Professorin Albana Ilo an einer Aufteilung der Energienetze in sogenannte Links, die vergleichbar mit den Gliedern einer Kette sind. Jedes Netz werde einer eigenen Einheit zugeordnet, die mit ihren umliegenden Nachbarn kommuniziere. Noch bestehe das Problem vor allem darin, dass das Stromnetz auf einer bestimmten Frequenz und Spannung gehalten werden müsse. Speisen mehr dezentrale Erzeuger ins Netz ein, könne dies das Netz instabil machen, so Ilo.

Hundert Prozent Erneuerbare

Das Ziel für die österreichische Stromerzeugung sei klar: Bis 2030 sollen laut Maßnahmenpaket der Regierung hundert Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen kommen, erklärt Josef Plank, Generalsekretär beim Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus. Derzeit werden etwa drei Viertel des Stroms aus Erneuerbaren erzeugt.

Zusätzlich sei der Stromverbrauch in Österreich in den letzten Jahren noch weiter gewachsen. Um mit dieser Entwicklung mitzuhalten, müsse die Effizienz erhöht werden, so Plank. "Wir verschleudern sehr viel Energie." Das seit 2014 beschlossene Energieeffizienzgesetz habe bisher nicht effizient funktioniert.

Einig ist man sich dabei, dass durch die Dezentralisierung auch die Abhängigkeit von Importen verringert werden könnte. Wirkliche Unabhängigkeit sei trotzdem schwer, meint Ederer: Statt des Stroms kommen dann die Paneele für die Photovoltaik aus China, die Rohstoffe für Batterien werden in politisch instabilen Regionen gewonnen. Von Nachhaltigkeit könne schwer die Rede sein. (jp,28.2.2018)