Wien – Sie dürfen keine politischen oder Parteifunktionen haben, auch für keine anderen Medienunternehmen arbeiten. Und sie müssen im Sinne des ORF entscheiden, frei von Aufträgen und Weisungen. Sagt das Gesetz.

Und doch wollen sich die allermeisten Stellen, die sie aussuchen, auf sie verlassen können. Wenn sie als Stiftungsräte des ORF über den Chef von Österreichs bisher weitaus größtem Medienunternehmen entscheiden, über dessen Budgets, Programmpläne, Geschäfte und Aktivitäten.

Die FPÖ soll bis in die Nacht zum Mittwoch erwogen haben, wen sie auf die neuen Mandate als Regierungspartei setzt. Es sind immerhin fünfmal so viele wie bisher – die FPÖ hatte nur ein Parteimandat unter den 35 Stiftungsräten.

Mittwoch entsandte die seit Ende 2017 neue Bundesregierung ihre neun Stiftungsräte in den ORF, dazu formell auch die sechs Vertreter der Parteien. Das blaue Parteimandat behält wie erwartet Norbert Steger, Anwalt, ehemaliger FPÖ-Chef und Exvizekanzler. Steger könnte in den nächsten Monaten Vorsitzender des Stiftungsrats werden.

Einen der vier neuen, den Freiheitlichen zugerechneten Regierungsräte kennt Steger seit ein paar Jahrzehnten: Gerhard Anderl, Orthopäde, war schon zeitgleich mit Steger Sängerknabe – Anderl Sopran, Steger Alt.

Anderl dürfte einer der wenigen Menschen sein, die mit Jörg Haider und dem von ihm 1986 als FPÖ-Chef abgelösten Steger befreundet waren beziehungsweise sind. Anderl ist Vorstand der Jörg-Haider-Privatstiftung, die seit 2011 den 2008 bei einem Autounfall ums Leben Gekommenen "in Erinnerung halten" soll.

Auf blauen Regierungstickets kommen zudem in den ORF-Rat: Markus Braun, Vorstand und Eigentümer der Sigma Investment AG (nicht zu verwechseln mit René Benkos Signa-Gruppe), Claudia Hasenöhrl, sie hat Erfahrung als Controllerin der Voestalpine, und Franz Xaver Maurer. Er ist laut Regierung im Finanzwesen tätig, im Firmenbuch scheint er als Vorstand und Geschäftsführer dreier Firmen auf, zu denen der STANDARD am Mittwoch keinen Telefonkontakt herstellen konnte. Der Obmann des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ) Niederösterreich hieß 2001 Franz Xaver Maurer, er kandidierte 2003 auch bei der Landtagswahl für die FPÖ.

Die ÖVP wechselte einen Regierungsrat ein: Gernot Schütze, einst Sprecher der damaligen Innen- und Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP), dann Manager des da noch eigenständigen Privatsenders ATV und nun Kommunikationsberater. Ihm könnte im ÖVP-"Freundeskreis" eine tragende Rolle zukommen. Sprecher der bürgerlichen Stiftungsräte ist Thomas Zach.

Für ein paar Sitzungen im März gelten die neuen Kräfteverhältnisse. Bis Mai werden die Gremien komplett neu besetzt. Da geht es Richtung Zweidrittelmehrheit für ÖVP und FPÖ. (fid, 28.2.2018)

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