20.000 Besucher habe man am Eröffnungswochenende im Herbst gehabt, 150.000 peilt man bis Jahresende an.

Foto: KHM-Museumsverband

Der Ethnologe Christian Schicklgruber war seit 1995 als Kurator am Weltmuseum tätig. Nun folgte er Steven Engelsman als Direktor nach.

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Saal "Ein Dorf in den Bergen", kuratiert von Schicklgruber.

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Wien – Wenn Christian Schicklgruber durch den Saal mit dem Titel "Ein Dorf in den Bergen" führt, kommen unweigerlich persönliche Erinnerungen hoch. Zwei Jahre, erzählt der neue Direktor des Weltmuseums, habe er direkt neben den in einem Video gezeigten nepalesischen Bergbewohnern gelebt, mit ihnen gekocht, an religiösen Riten teilgenommen und ihre Sprache gelernt.

Den Saal, einen von 14 im Oktober neu eröffneten, verantwortet der Himalaja-Experte nicht nur als Museumsdirektor, er hat ihn auch selbst kuratiert – eine Aufgabe, die der 57-jährige Welser in dem schmucken Haus am Heldenplatz, das früher Völkerkundemuseum hieß, seit über zwei Jahrzehnten wahrnimmt. Zuvor arbeitete Schicklgruber als ethnografischer Dokumentarfilmer, etwas, das er nun auch ins Museumsprogramm einfließen lassen will.

Neben dem umfassenden Vermittlungsangebot (u. a. mit kulinarischen Führungen), einer Literatur- und Konzertschiene, will er demnächst eine Filmreihe starten, mit "ethnografischen Arbeiten, die man nicht bei Universum oder Servus TV, sondern sonst nur auf Filmfestivals zu sehen bekommt". Mit dem Wiener Kunst- und Sozialraum Brunnenpassage ist ein Projekt geplant, bei dem Menschen mit Migrationshintergrund eingeladen werden, sich ein Objekt aus der gut 3000 Stücke umfassenden Schausammlung auszusuchen und zu erzählen, wie und warum es sie an ihre Herkunft erinnert. "Museen sollen nämlich nicht nur die Geschichte aus Sicht von Päpsten und Königen erzählen, sondern auch aus Sicht von Menschen wie du und ich", erklärt Schicklgruber seine Leitlinie.

Offen selbstkritisch

20.000 Besucher habe man am Eröffnungswochenende im Herbst gehabt, 150.000 peilt man bis Jahresende an. "Derzeit sind wir sogar über den Erwartungen." Die Resonanz der Fachwelt sei überwiegend positiv, Kollegen vom in Berlin entstehenden Mammutprojekt Humboldt-Forum hätten mehrfach vorbeigeschaut und sich Inputs geholt, konkret etwa zum offensiven Umgang des Hauses mit dem Thema Kolonialismus. Der Saal, der sich sehr selbstkritisch und offen mit der komplexen Herkunftsgeschichte der Objekte (das meiste wurde zu Zeiten der Monarchie gekauft oder geschenkt, manches aber geraubt) auseinandersetzt, werde auch vom Publikum "sehr häufig positiv herausgestrichen".

Auf Kritik der Besucher, etwa an Beschilderung oder einer fehlerhaften Landkarte zur Dekolonialisierung im 20. Jahrhundert, will man reagieren: Die Karte werde getauscht, das Leitsystem durchs Haus verbessert, die digitalen Spielereien (Touchscreens und Co) laufend verbessert. Für Aufregung hatte kurz nach Eröffnung auch gesorgt, dass im Brasiliensaal menschliche Überreste in Form eines Trophäenkopfs gezeigt werden. Einen Kopf "kontextualisiert im Museum zu zeigen" gehe "aber voll mit den internationalen Ethikrichtlinien konform", so Schicklgruber verteidigend.

Auf einem digitalen Medientisch, mit dem das Museum kurzfristig auf strittige Themen reagieren kann, werde man die Diskussion jedenfalls aktiv darstellen und genau erklären, warum der Kopf ausgestellt wird. Auf dem Tisch können die Besucher auch durch die umfangreiche Fotosammlung wischen oder Umfragen beantworten – nur eine von vielen Stationen, bei denen das Publikum miteinbezogen wird.

Sonderschau zu Kopftuch

Fast schon vergessen scheint der Groll darüber, dass das Weltmuseum 2014 nach einer Planänderung des damaligen Kulturministers Josef Ostermayer (SPÖ) bereits zugesagte Räume abtreten und für ein Haus der Geschichte Österreich (HdGÖ) Platz machen musste. Der damals weggefallene "Korridor des Staunens" – ein sogenanntes Schaudepot, mit dem von den hunderttausenden Objekten, die im Keller schlummern, laufend neue ans Licht geholt werden können – wird an anderer Stelle im Hochparterre nun doch entstehen. Er öffnet am 11. April.

Ab 18. Oktober wird sich eine groß angelegte Sonderausstellung unter dem Titel Verhüllt, enthüllt! mit der Kulturgeschichte des Kopftuchs beschäftigen. "Unsere Aufgabe ist es, den Blick zu erweitern, Fragen aufzuwerfen, aber sie nicht endgültig zu beantworten", meint Schicklgruber.

Auch zeitgenössischer außereuropäischer Volkskunst will sich der Direktor annehmen: "Das Essl-Museum hatte das früher ansatzweise, jetzt ist es geschlossen. Daran würden wir gerne anknüpfen. Mit unserer Expertise können wir kulturelle Hintergründe ausleuchten, die die Kunstmuseen vielleicht oft übersehen."

Schicklgrubers Vertrag läuft für vorerst drei Jahre, über eine allfällige Verlängerung wird der designierte KHM-Chef Eike Schmidt, der 2019 von den Uffizien nach Wien wechselt, entscheiden. Von Neo-Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) wünscht sich Schickl-gruber eine solide Finanzbasis. "Ich lade ihn gerne ein, sich das Museum einmal anzusehen." (Stefan Weiss, 1.3.2018)