Wien – Hartmut Hütter (Name geändert, Anm.) hat das Gefühl, einen Kampf zu führen, der nicht zu gewinnen ist. Mehr als 1.000 Akten kämen auf einen Steuerprüfer, erzählt der Staatsbedienstete. Sein Job ist es, Betrieben genau auf die Finger zu schauen und hinterzogene Steuern einzutreiben. Theoretisch. Denn praktisch sei die Prüfdichte "viel zu gering", wie er einräumt. Mitunter müssten Fälle "ungeschaut" erledigt werden. Also ohne echte Prüfung. Nicht weil man nicht wollen würde, sondern weil man einfach keine Zeit und zu wenig Personal habe. "Das ist natürlich unbefriedigend", klagt der Beamte.

Die Steuerberater haben von diesen Sorgen längst Wind bekommen. "Bei den Schlussbesprechungen rückt die Gegenseite oft mit drei oder vier Spezialisten an. Da tust du dir als einzelner Beamter schwer", schildert Hütter, der auch überzeugt ist: "Viele Steuerberater ziehen Fälle absichtlich in die Länge, weil sie wissen, dass es auf der anderen Seite an Ressourcen fehlt."

Betrugsbekämpfung 7.30 Uhr bis 15.30 Uhr

Sein Kollege Christian Berger (Name geändert, Anm.), der als Finanzpolizist für die Betrugsbekämpfung in den Bereichen illegales Glücksspiel und Sozialdumping zuständig ist, berichtet noch von einem anderen Problem: Von oben, also von Ministeriumsseite, gibt es die Vorgabe, möglichst wenig Überstunden anzuhäufen. "Früher wurden pro Kopf und Monat 20 Überstunden gemacht, heute nur mehr sechs bis sieben." Die Folge: "Die Betrugsbekämpfung findet fast nur mehr zwischen 7.30 und 15.30 Uhr statt. An Wochenenden und in der Nacht wird kaum noch kontrolliert", erzählt Berger, der vermutet: Der Betrug, etwa beim Einsatz unangemeldeter Arbeitskräfte, passt sich den Prüfzeiten an. "Die Unternehmer sind ja nicht blöd und merken, wann nicht kontrolliert wird."

Bundesheer und Polizei bei einer gemeinsamen Übung. Für beide Bereiche gibt es eine Ausnahme von der Regel, nur jede dritte Pensionierung nachzubesetzen.
Foto: APA/ROBERT JAEGER

Unmut in Belegschaft

Hütter und Berger sind zwei von rund 12.000 Mitarbeitern in der Finanzverwaltung. Dort gibt es, wie berichtet, massiven Unmut über die Pläne, nur mehr jede dritte Pensionierung nachzubesetzen. Die Beamtengewerkschaft warnt aber auch generell vor einem Qualitätsverlust durch Einsparungen. Türkis-Blau hat sich hingegen zum Ziel gesetzt, den Staatsapparat zu verschlanken. Ausnahmen soll es nur für die Bereiche Bildung und Sicherheit geben, wie Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) am Donnerstag auf Anfrage bekräftigte.

Wer wie viele Mitarbeiter hat

Der STANDARD nimmt das zum Anlass, um sich näher anzusehen, wie groß der öffentliche Sektor in Österreich überhaupt ist und wie Österreich im internationalen Vergleich aufgestellt ist.

Zunächst: 349.173 Stellen (Vollzeitäquivalente) gab es laut Personalbericht des Kanzleramtes 2016 direkt bei Bund, Ländern und Gemeinden. Von den drei Gebietskörperschaften ist nicht der Bund der größte Arbeitgeber, sondern die Länder:

Das ist aber bei weitem noch nicht die ganze Wahrheit. In die Bereitstellung öffentlicher Leistungen sind noch viel mehr Menschen involviert. Aufschluss darüber gibt eine OECD-Statistik. In dieser werden zum staatlichen Sektor auch rund 400 ausgegliederte Institutionen, die Sozialversicherungsträger und die Kammern gezählt. Dann arbeiten fast doppelt so viele Personen, konkret 683.900, für den Staat (Daten aus 2015).

Deutlicher Anstieg seit 2007

Ebenfalls interessant: Auch wenn in der Vergangenheit immer wieder mal von Sparkurs die Rede war, ist die Zahl der im staatlichen Sektor Beschäftigten kontinuierlich gestiegen und lag zuletzt um 30.000 höher als 2007.

Die mit Abstand meisten Mitarbeiter sind in einem Politikfeld beschäftigt, das jetzt ohnehin vom Sparkurs ausgenommen ist: dem Bildungswesen mit rund 204.000. Auf Platz zwei folgt das Gesundheitswesen (160.000). In den Bereichen Sicherheit und Verteidigung gibt es rund 82.000 Mitarbeiter.

Im Mittelfeld

Hat Österreich damit im OECD-Vergleich einen großen oder einen kleinen staatlichen Sektor? Das kommt darauf an, mit wem wir uns vergleichen wollen. Setzt man die öffentlich Bediensteten in Relation zur gesamten Erwerbsbevölkerung, dann zeigt sich, dass es in den skandinavischen Staaten wie Norwegen oder Schweden fast doppelt so viel öffentlich Bedienstete gibt. Würde Österreich hingegen auf dem deutschen Niveau liegen, gäbe es um fast 230.000 Beschäftigte weniger im staatlichen Bereich. Der OECD-Durchschnitt liegt jedenfalls etwas höher als in Österreich.

Ein ähnliches Bild zeigt sich, wenn man die Ausgaben der Staaten für den öffentlichen Sektor in Relation zur Wirtschaftsleistung setzt, hier liegt Österreich aber leicht über dem OECD-Schnitt, wie diese Grafik zeigt:

Die absoluten Zahlen sagen aber natürlich noch wenig darüber aus, wie gut die staatlichen Leistungen sind. Die OECD hat auch dazu diverse Vergleiche angestellt. Österreich schneidet dabei durchwegs gut ab. Bei der Zufriedenheit der Bürger mit dem Gesundheitssystem wurde der vierte Platz erreicht.

Über dem OECD-Schnitt liegen wir auch bei der Zufriedenheit mit dem Bildungssystem und beim Vertrauen in die Justiz. Ganz vorne dabei ist stets das erwähnte Norwegen, das einen äußerst üppigen Staatssektor hat. Allerdings: Die Deutschen sind mit ihren staatlichen Leistungen mehr oder weniger genauso zufrieden wie die Österreicher. Es braucht also offenbar nicht zwingend eine große Zahl an Köpfen, um für eine ordentliche Qualität zu sorgen. (Günther Oswald, 2.3.2018)