Wien – Rohstoffe, die durch Menschenrechtsverletzungen gewonnen wurden oder der Finanzierung von Konfliktparteien dienen, sollen nicht in europäische Produkte gelangen. Die Unternehmen sind angehalten, sorgfältig zu prüfen, woher sie ihre Rohstoffe beziehen. So lässt sich eine EU-Verordnung zusammenfassen, die 2017 in Kraft trat und ab 2021 umgesetzt werden muss. "Das sind sehr lange Übergangsfristen", sagt Karin Küblböck, die gemeinsam mit Hannes Grohs an der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE) in Wien eine Studie zu diesem Thema gemacht hat. Der Grund für die lange Zeit bis zur Umsetzung liegt in einer zähen kontroversiellen Diskussion, die dieser Verordnung vorausgegangen ist.

Jahrelang haben sich Lobbygruppen von Rohstoffunternehmen gegen Regeln für mehr Transparenz quergelegt. Man befürchtete Wettbewerbsnachteile, Lieferengpässe und Kostenexplosionen. Die neue Verordnung, auf die sich das EU-Parlament schließlich einigen konnte, ist daher, so Küblböck, erst "ein zarter Anfang". Aber auch das sei schon "ein Schritt in die richtige Richtung".

Entstanden sind Initiativen zu Konfliktmineralien im Jahr 2000. Damals wurde der US-amerikanische UN-Vertreter Richard Holbrooke vom Sicherheitsrat beauftragt, Konflikte im Kongo beizulegen. Im rohstoffreichen zentralafrikanischen Land, in dem über Jahre Bürgerkrieg herrschte, hatten Konfliktparteien von jeher ihre Aktivitäten über Rohstoffschmuggel finanziert – auch der Rebellenchef und spätere Präsident des Kongo, Laurent Kabila, bezahlte so seine Kämpfer. Den Nachbarländern Ruanda und Uganda, die ihn unterstützten, hatte er im Gegenzug Zugang zu kongolesischen Minen gewährt.

Organisierter Betrug und Klüngelwirtschaft

Als Kabila 2000 vor dem UN-Sicherheitsrat "die systematische Plünderung der kongolesischen Ressourcen" anprangerte, begann die von Holbrooke geleitete Mission die illegale Ressourcenausbeutung zu untersuchen. Es offenbarte sich ein eingespieltes System von organisiertem Betrug und Klüngelwirtschaft, von dem staatliche Stellen ebenso profitierten wie bewaffnete Gruppen und in- und ausländische Unternehmen.

Eine von Holbrooke geleitete Expertengruppe beschloss daraufhin ein Waffenembargo für den Kongo und gezielte Sanktionen gegen Rebellenführer und ihnen nahestehende Geschäftsleute. Vorgeschlagen wurde auch die Einführung von Systemen, die die Herkunft natürlicher Ressourcen nachvollziehbar machen, sowie Sanktionen für Unternehmen, die ihren Sorgfaltspflichten nicht nachkamen.

Von diesen ursprünglichen Vorschlägen sind in der EU-Verordnung freilich nur Ansätze umgesetzt. Denn zum einen sind erst eine Handvoll Konfliktmineralien erfasst. Die Verordnung beschränkt sich auf die vor allem in der Elektronikindustrie benötigten Rohstoffe Gold, Zinn, Wolfram und Tantal. Hier sollen Unternehmen nachweisen, dass an keiner Stelle ihrer Lieferketten Menschenrechtsverletzungen begangen wurden. Bei Gold, das häufig auch aus dem sogenannten artisanalen Bergbau stammt, also von Goldschürfern, die Nuggets in Kleinstmengen aus dem Gestein herausbrechen, ist die Nachvollziehbarkeit durch fehlende Zertifizierungsmechanismen derzeit besonders schwierig.

Verarbeitete Konfliktmineralien sind kein Problem

Zum anderen sind Unternehmen nur dann zur Transparenz angehalten, wenn sie "rohe" und nicht schon verarbeitete Rohstoffe importieren. Werden Konfliktmineralien etwa schon in Asien verarbeitet, können sie weiterhin nach Europa importiert werden.

Für die Umsetzung gibt es Leitsätze der OECD und verschiedene Zertifizierungsprogramme – Industrieinitiativen auf der einen und öffentliche Mechanismen wie "Certified Trading Chains" auf der anderen Seite. In der EU-Verordnung seien aber, so Küblböck, "keine Sanktionsmechanismen verankert". Ein Unternehmen habe nur nachzuweisen, dass es sich bemüht habe, die Herkunft von Zinn oder Tantal zu eruieren. Könne man die Herkunft trotzdem nicht bestimmen, gilt die EU-Verordnung dennoch für erfüllt.

Ob und wie die Verordnung von Unternehmen umgesetzt werde, werde einerseits von staatlichen Kontrollmechanismen, andererseits auch vom Druck der Zivilgesellschaft, etwa Organisationen wie Global Witness, abhängen, meint Küblböck. Aber wohl auch von Konsumenten, die ihre Kaufentscheidung von Slogans wie "No blood on my cell phone" beeinflussen lassen. (Norbert Regitnig-Tillian, 4.3.2018)