Ein Überblick über das südliche Stadtgebiet von Sai im heutigen Nordsudan mit Überresten der ägyptischen Lehmziegelstrukturen des Neuen Reiches (ca. 1550 bis 1070 vor unserer Zeitrechnung).

Foto: OREA/Julia Budka

Wien – Archäologen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) haben rekonstruiert, wie sich die Nil-Insel Sai im heutigen Nordsudan vom militärischen Vorposten zu einer blühenden Kolonialstadt und einem Goldhandels-Zentrum entwickelt hat. Seit 2012 gruben sie in einem vom Europäischen Forschungsrat (ERC) und Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt, zu dessen Abschluss sie nun Bilanz zogen.

Die rund 66 Quadratkilometer große Nil-Insel Sai zwischen dem zweiten und dritten Nil-Katarakt war seit der Altsteinzeit ein bedeutender Siedlungsplatz. Vor rund 3.500 Jahren war Sai ein schlichter militärischer Vorposten der Ägypter für ihre Feldzüge gegen das antike Nubien im heutigen Sudan.

Video: Wie aus einem ägyptischen Militärposten ein Goldhandelszentrum wurde.
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Tempel und Stadtmauern

Nach dem Sieg der Ägypter über das nubische Königreich der Kerma um 1.500 vor unserer Zeitrechnung wurde Sai ausgebaut, um der einheimischen Bevölkerung die Macht des Pharaos zu demonstrieren, erklärt Projektleiterin Julia Budka vom Institut für Orientalische und Europäische Archäologie der ÖAW und der Universität München. So wurden unter Pharao Thutmosis III. (ca. 1486 bis 1425 vor unserer Zeitrechnung) ein massiver Steintempel zu seiner Verehrung sowie befestigte Stadtmauern errichtet.

Die Lage mitten im Nil war nicht nur militärisch ein Vorteil, sondern auch ökonomisch. An der bedeutendsten Handelsroute zwischen Norden und Süden gelegen trug der Handel mit Rohstoffen wie Sandstein, aber vor allem Gold wesentlich zum Aufschwung der Siedlung bei. Diese entwickelte sich zu einer blühenden ägyptischen Kolonialstadt mit kulturell durchmischter Bevölkerung, wie die Ergebnisse von Untersuchungsmethoden wie 3D-Laserscans oder Strontiumisotopen-Analysen zeigten.

Gold für den Norden

"Sai wurde rasch zu einem Zentrum für den Abbau und die Verarbeitung von Gold", erklärte Budka. Das in Nubien geschürfte Gold wurde vor allem über den Nil in den Norden transportiert, "um dort etwa Gräber wie jenes von Tutanchamun zu zieren", so die Archäologin. Die wichtige Rolle Sais sehen die Archäologen etwa durch den Fund des Grabs eines Goldschmiedemeisters am Friedhof der Stadt belegt, das unter anderem einen kunstvollen Ring aus Gold und Silber enthielt.

Die Ausgrabungen belegten auch, dass sich nach dem Sieg über die Nubier ganze Familien aus dem ägyptischen Norden auf der Insel ansiedelten. Sie brachten die Kultur Ägyptens nach Obernubien, von der Pharaonenverehrung über handwerkliches Fachwissen bis hin zum Lebensstil.

Nubische Pluralität

Das ganze sei aber keine "kulturelle Einbahnstraße" gewesen, betonte Budka. Die ägyptischen Neuankömmlinge durchmischten sich in Sai rasch mit der einheimischen Bevölkerung. Ursprüngliche Bewohner konnten bald sogar in hohe Verwaltungspositionen der Stadt aufsteigen. Auch bei den Ernährungsgewohnheiten oder der Keramikproduktion der Ägypter zeigten sich bald nubische Einflüsse. Der Wandel spiegelte sich auch im Städtebau: Der anfänglich strikte Grundriss Sais nach dem Reißbrettmuster wurde bald durchbrochen und teilweise von einem dynamischen, freien Baugeschehen einer pluralen Metropole abgelöst. (APA, red, 3.3.2018)