US-Präsident Trumps Strafzölle treffen vor allem Alliierte. Der wichtigste Aluminiumlieferant für die USA ist nicht China, sondern mit weitem Abstand der nördliche Nachbar Kanada.

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Peter Navarro wird bald deutlich mehr Einfluss im innersten Machtzirkel Washingtons haben. Donald Trump wird ihn befördern, vom stellvertretenden Assistenten zum Assistenten des Präsidenten, was in dem Fall mehr ist als nur eine Frage des Titels. Navarro, der kompromissloseste Protektionist der Regierungszentrale, feiert ein glänzendes Comeback, nachdem ihn manche bereits abgeschrieben hatten. Nach Monaten im scheinbaren Abseits tritt er aus dem Schatten des Ex-Goldman-Sachs-Bankers Gary Cohn, der das Gremium der Wirtschaftsberater im Weißen Haus leitet und als klarer Gegner handelspolitischer Abschottung gilt. Bislang war Cohn der unmittelbare Vorgesetzte des Ökonomieprofessors aus Kalifornien. Das ändert sich nun.

Schon ab der nächste Woche will US-Präsident Donald Trump Strafzölle auf Stahl und Aluminiumlieferungen in die USA einheben. Damit löst er weltweit Kritik aus. Österreichs Bundeskanzler Kurz fordert harte Gegenmaßnahmen der EU.
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Die Personalie allein sagt schon viel aus über die Verschiebung der Kräftebalance an der Pennsylvania Avenue. Mit den Strafzöllen für Stahl- und Aluminiumimporte, die Trump nächste Woche verhängen will, kehrt der Rebell des Wahlkampfes zurück zu einem Versprechen, das maßgeblich zu seinem Sieg über Hillary Clinton beitrug. In Ohio und Pennsylvania, wo das Herz der heimischen Stahlindustrie schlägt, verstand er zu punkten, indem er den Freihandel madig machte – als eine Art Komplott, das anderen auf Kosten Amerikas Vorteile sichere. Hatte es ein Amtsjahr lang so ausgesehen, als folgten der populistischen Kampagnenrhetorik nur symbolische Schritte, so hat Trump sein Umfeld einmal mehr überrascht. Ohne Abstriche schließt er sich den Hardlinern an, moderatere Köpfe brüskierend, die glaubten, den Streit der Argumente bereits gewonnen zu haben.

Bankrotte Stahlunternehmen

Zur Fraktion der Falken gehören der Handelsminister Wilbur Ross, der Handelsbeauftragte Robert Lighthizer und eben Navarro. Ross, 80 Jahre alt, erwarb als Geschäftsmann bevorzugt bankrotte Stahlunternehmen, um sie zu sanieren. Lighthizer spezialisierte sich in seiner Anwaltskanzlei auf die Stahlbranche. Navarro, ehemals Professor an der University of California in Irvine, machte sich einen Namen, indem er harte Bandagen forderte, um den Aufstieg Chinas zu bremsen. Kaum hatte ihn Trump in sein Beraterteam aufgenommen, nahm Navarro auch andere Länder ins Visier. Deutschland etwa warf er vor, sowohl EU-Partner als auch die USA durch einen "grotesk unterbewerteten" Euro auszubeuten, durch eine Währung, die es im eigenen Interesse manipuliere.

Die Vorgeschichte erklärt denn auch die Zielrichtung der Zolloffensive. Zwar hat Trump noch nicht durchbuchstabiert, gegen wen konkret sich sein Entschluss richtet. Doch Teilnehmer seiner Begegnung mit Stahlmanagern, die er nutzte, um Zollschranken anzukündigen, sind überzeugt: Es geht gegen alle. Würde man einen Staat ausnehmen, soll der Staatschef in der Schilderung eines Anwesenden gesagt haben, würden die anderen sofort eine ähnliche Sonderbehandlung verlangen. Daher habe er pauschale Aufschläge beschlossen, ungeachtet des Herkunftslands.

Hardliner setzen sich durch

Es ist der klarste Beleg dafür, dass sich die Hardliner auf ganzer Linie durchgesetzt haben, während einflussreiche Kabinettsmitglieder den Kürzeren zogen. Verteidigungsminister James Mattis hatte ausdrücklich davor gewarnt, Verbündete zu bestrafen. Denn auf Letzteres läuft es hinaus: Nicht chinesische Exporteure sind die wichtigsten Stahllieferanten der USA, sondern solche aus Kanada, Brasilien, Südkorea, Mexiko, der Türkei, Japan, Taiwan und Deutschland, abgesehen von Russland, das auf dem fünften Platz liegt. Bei Aluminium führt Kanada die Liste mit großem Abstand an. Sowohl im eigenen Kabinett als auch in der eigenen Partei fehlte es denn auch nicht an Stimmen, die Trump davon abrieten, zum handelspolitischen Vorschlaghammer zu greifen.

Partei des Freihandels

Die Republikaner, seit 1945 die Partei des Freihandels, reiben sich einmal mehr an einem Nationalisten, dessen Kandidatur ihr Apparat vergeblich zu verhindern versuchte. Selbst Pat Toomey, ein konservativer Senator aus Pennsylvania, dem Bundesstaat, in dem mit Pittsburgh das frühere Mekka der amerikanischen Stahlindustrie liegt, übt scharfe Kritik.

Wer Stahl im Namen der nationalen Sicherheit mit Zöllen belege, begehe einen schweren Fehler. Nicht nur, weil er Vergeltungsmaßnahmen des Auslands heraufbeschwöre, sondern auch mit Blick auf die eigenen Konsumenten. Die müssten tiefer in die Tasche greifen, weil mit zwangsläufig höheren Preisen für Stahl und Aluminium vieles teurer werde. Vom Auto bis hin zur Bierdose.

Trade Expansion Act

Indem sich Trump eines Gesetzes aus Zeiten des Kalten Krieges bedient, verstärkt er bei seinen Kritikern den Eindruck, dass er die wirtschaftlichen Verflechtungen des 21. Jahrhunderts nicht wirklich versteht. Der "Trade Expansion Act", den er ins Feld führt, um Hochöfen vor dem Ruin zu bewahren, damit diese im Fall eines internationalen Konflikts genügend Stahl liefern können, stammt aus dem Jahr 1962.

Bereits George W. Bush hatte 2002 Stahlzölle von bis zu 30 Prozent verhängt. Nach Schätzungen der konservativen Heritage Foundation bezahlten rund 200.000 Amerikaner den damaligen Preisanstieg bei Stahl mit dem Verlust ihrer Jobs. (Frank Herrmann aus Washington, 2.3.2018)