25.1.1998: Der 1,70 Meter große VEU-Kapitän Fritz Ganster stemmt nach dem Sieg über Dynamo Moskau den 86 Zentimeter hohen Pokal.

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Zwanzig Jahre danach: Fritz Ganster (57), der sich kaum verändert hat, legt als Schulwart Hand an.

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Feldkirch/Wien – Natürlich hat Fritz Ganster das letztlich mit Silber dekorierte deutsche Eishockeyteam bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang verfolgt. "Die Deutschen haben toll gespielt", sagt er, "und sie haben Glück gehabt." Nachsatz: "So wie wir damals."

Damals, das war Ende Jänner 1998, und wir, das war die VEU Feldkirch, deren Dress Ganster von 1983 bis 2003 getragen hat. In der European Hockey League, dem Nachfolger des Europapokals und Vorläufer der Champions League, hatten die Feldkircher ihre Gruppe – mit Köln, Storhamar (Norwegen) und SC Bern – überlegen gewonnen und nach einem Viertelfinalerfolg über Hämeenlinna (Finnland) zum dritten Mal das Final Four erreicht. Zum ersten Mal richteten sie es aus.

Petra Vsetin war der Gegner im Semifinale, die Tschechen gingen in der 58. Minute 2:1 in Führung, Feldkirch glich in der 59. Minute dank Bengt-Ake Gustafsson aus und kam in der siebenten Minute der Verlängerung dank Gerhard Puschnik zum 3:2.

Das Wunder

Der Finalgegner hieß Dynamo Moskau, in Feldkirch wurden Vergleiche mit Real Madrid bemüht. Die Vorarlberghalle platzte aus allen Nähten, offiziell passten 5200 Menschen hinein, inoffiziell mehr als 6000. Thomas Rundqvist, Simon Wheeldon (je zwei) und Daniel Gauthier scorten zum 5:3, das Wunder war wahr geworden. Und der eher schmächtige VEU-Kapitän Fritz Ganster (1,70 m) stemmte einen riesigen Pokal, die Silver Stone Trophy (0,86 m).

"Die Halle stand kopf, ganz Vorarlberg war aus dem Häuschen", erinnert sich Ganster (57). Wenig später wurden die Feldkircher zum fünften Mal en suite österreichischer Meister. Trainer Ralph Krueger hatte ein tolles Team zusammengestellt. Zu herausragenden Legionären wie den Schweden Gustafsson und Rundqvist, die jeweils zweimal Weltmeister gewesen waren, kamen routinierte einheimische Kräfte. Kräfte wie Ganster, der Flügelstürmer, den sie natürlich "Gängsta" (Gangster) nannten. "Ich war kein Goalgetter und kein Zauberer, ich war ein Arbeiter. Ich hab vor allem defensiv immer das getan, was getan werden musste."

Einheimische Kraft ist relativ. Ganster ist gebürtiger Steirer, er stammt aus Zeltweg, wo er wie sein vier Jahre älterer Bruder Peter zunächst in der Metzgerei des Vaters mithalf und in der zweiten Liga spielte. 1982 kam ein Anruf aus Lustenau, kurz darauf sprachen Peter und Fritz beim Vater vor. Sie wollten "ein Jahr ganz oben spielen", der Vater verlor wichtige Arbeitskräfte, stimmte aber zu, ein Jahr ist keine Ewigkeit.

Superstars, die Wasserflaschen tragen

Lustenau verpasste den Klassenerhalt. Peter reiste heim und wurde Metzger, Fritz wurde von der VEU Feldkirch, vom regierenden Meister, verpflichtet. Da wusste er noch nicht, dass er und seine Frau Barbara, die ihn ins Ländle begleitet hatte, in Vorarlberg sesshaft werden würden. Von wegen ein Jahr! In puncto Verständigung war die erste Zeit im Ländle "schon extrem. Sprachlich bist du ja fast im Ausland."

Die VEU verteidigte 1984, im ersten Ganster-Jahr, den Meistertitel, fügte 1990 einen weiteren hinzu. So richtig dahin ging es ab 1994 unter Krueger, mit Goalie Reinhard Divis, der 2002 als erster Österreicher in der NHL spielen sollte, und mit den Schweden im Angriff. "Gustafsson, der jetzt noch oft zum Skifahren kommt, und Rundqvist sind tolle Typen", sagt Ganster. "Die waren Superstars, sich aber nicht zu schade, auch die Wasserflaschen zu tragen." Günther W. Amann, Chef von Hauptsponsor Samina, gab den Vereinspräsidenten, und Samina butterte ordentlich hinein. Das ging nur eine Zeitlang gut. Die Mannschaft war zu teuer geworden. Finanzielle Probleme führten zum Konkurs samt Neustart in der zweiten Liga.

Ganster ist der VEU zwanzig Jahre lang treu geblieben, 2003 gab es ein großes Abschiedsspiel. Selbst Gustafsson und Rundqvist haben sich eingestellt, 4000 Fans sind gekommen. "Ich hätte mit tausend gerechnet." Ganster ist nach der Eishockey-Karriere ein Arbeiter geblieben, er dachte zunächst daran, Eismeister zu werden, und bewarb sich bei der Gemeinde. Bald darauf wurde der Posten eines Schulwarts frei, Ganster überlegte kurz und nahm das Angebot an, er hat es nie bereut. "Ich hab' mit vielen Menschen zu tun, das mag ich." Er ist für vier Schulen und drei Kindergärten zuständig, sieht sich als "Organisator", legt aber auch selbst Hand an. "Ich war immer schon praktisch veranlagt."

Unter einem Dach

Auch das Haus, das er schon 1986 gekauft hatte, hat Fritz Ganster mithilfe des Schwiegervaters, der Maurer war, zu einem guten Teil selbst um- und ausgebaut. Mit Barbara, die in der mobilen Krankenpflege tätig ist, wohnt er im ersten Stock, im zweiten Stock wohnen seine Töchter Tanja und Sabrina mit ihren Familien, beide haben den Vater schon zum Großvater gemacht. Falls einmal eine Kinderbetreuungsstätte gesucht wird, wäre der Weg nicht weit – das Erdgeschoß hat Ganster an die "Kindervilla" vermietet.

Mit seinem Leben ist Fritz Ganster "rundum zufrieden". Er spielt gerne und regelmäßig Tennis, mit seiner Mannschaft, dem TC ESV Feldkirch, war er zweimal Landesmeister in der Klasse der über 55-Jährigen. Eishockey ist auch noch angesagt, in einer "Altherrenpartie" und "praktisch körperlos". Der VEU Feldkirch, die nach wie vor in der zweiten Spielklasse antritt, sieht er manchmal zu, dann trinkt er ein Bier mit Kollegen von früher – "oder zwei". (Fritz Neumann, 5.3.2018)