In der 1756 erbauten "Neuen Universität" – heute Hauptgebäude der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) – trafen sich am 12. März 1848 zahlreiche Studenten – und einige mit ihren Anliegen sympathisierende Professoren –, um eine Petition im Sinne konstitutioneller Freiheiten an den Kaiser zu richten. Diese sollte am nächsten Tag den niederösterreichischen Ständen vorgelegt werden. In der Herrengasse kam es dann durch abgefeuerte Schüsse, die Erzherzog Albrecht als Kommandant von Wien angeordnet hatte, zu ersten Gewalttaten.

Weil man sich nicht so rasch auf den Text der Petition einigen konnte, gab es bereits am 12. März in der Aula und rund um die "Neue Universität" ein großes Durcheinander: am Tag darauf kam es bekanntlich zum Rücktritt von Staatskanzler Metternich, zu Barrikadenkämpfen, auch die Arbeiter hatten sich mittlerweile den Demonstranten angeschlossen. In den Straßen der Wiener Innenstadt sammelten sich die Massen, es demonstrierten nicht nur Männer, sondern auch Frauen. Zur Beruhigung der Situation gab der Kaiser am 15. März ein Verfassungsversprechen ab.

Der Universitätsplatz, heute Dr. Ignaz Seipel-Platz, in der Wiener Innenstadt in der Nacht vom 13. auf den 14. März 1848.
Foto: Archiv der Universität Wien, Stich von R. Swoboda

Initialpunkt der modernen Universitäten

Die wichtigsten Forderungen der Studenten zielten auf eine parlamentarische Verfassung, auf "bürgerliche" Freiheiten, das heißt Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Redefreiheit und vor allem, was die Universität betrifft, auf Lehr- und Lernfreiheit ab.

Die Revolution wurde zwar im Oktober blutig niedergeschlagen, doch in Bezug auf die Universität wurden die wichtigsten Forderungen bleibend umgesetzt. Hinter die bereits im April deklarierte Lehr- und Lernfreiheit wurde nicht mehr zurückgegangen. Die Universitäten erlebten in der Ära des nachrevolutionären Reform-Ministers Leo Thun-Hohenstein einen ungeheuren Aufschwung; die wichtigsten Voraussetzungen für die moderne Universität, unter anderem die Verbindung von Forschung und Lehre, wurden in allen Universitäten der Habsburgermonarchie in dieser Zeit grundgelegt.

Heutiges Desinteresse an der Revolution

Die Erinnerung an diese dramatischen Geschehnisse vor 170 Jahren ist im kollektiven Gedächtnis Österreichs kaum präsent. Nicht einmal im Jahr 1998 wurde – im Gegensatz zu zahlreichen anderen europäischen Staaten – das Jubiläum von 1848 im politischen Diskurs aufgegriffen, obwohl 150 Jahre zuvor die entscheidenden und zukunftsträchtigen Freiheitsforderungen aufgestellt und schließlich auch durchgesetzt wurden: Es kam zu ersten konstitutionellen Verfassungen, zur Grundentlastung ("Bauernbefreiung"), zur rechtlich garantierten Gleichberechtigung der Nationalitäten, was in Europa geradezu einzigartig war.

Warum dieses Desinteresse? Es hängt wohl damit zusammen, dass die damals noch "großen" Parteien sich nicht mit 1848 identifizieren konnten. Die "linke" Revolution galt als "gescheitert", die "rechte" Seite wollte sie gar nicht erst zur Kenntnis nehmen und das "dritte Lager" hatte sich im Jahrhundert danach bis zur Unkenntlichkeit von den liberalen Ursprungsideen entfernt. Und 2018 wird das Jubiläum – 170 Jahre seit 1848 – vom offenbar die Sensationslust viel besser bedienenden Gedenken an den Anschluss (1938) völlig überlagert.

Wofür "wir" kämpfen mussten

Die damaligen Zeitgenossen haben Unglaubliches in kürzester Zeit geleistet – immerhin wurden damals erste allgemeine und freie Wahlen auf breiter Grundlage durchgeführt und aus allen Teilen der Monarchie – mit Ausnahme Ungarns und Italiens – kamen Vertreter der verschiedenen Nationalitäten zusammen, um eine künftige, gesamtösterreichische Verfassung auszuarbeiten.

All das ist heute vergessen und es ist ähnlich wie mit der Zeit vor 1968 – die heute junge Generation kann sich kaum mehr vorstellen, wogegen und wofür "wir" – ich studierte in den Jahren zwischen 1966 und 1971 – damals kämpfen mussten. Vieles davon ist heute so selbstverständlich geworden, dass man vergessen hat, wie wenig Freiheit und Mitspracherecht man damals als Studentin hatte und wie ausgeprägt und wirksam zum Beispiel allein die Vorstellungen von traditionellen Geschlechterrollen noch waren.

Was können wir heute davon lernen?

Man könnte einiges aus dem "revolutionären" Bemühen der Studenten von 1848 auch für heute lernen: wie wichtig es ist, sich politisch zu engagieren und die Bedeutung der eigenen Forderungen auch in die breitere Öffentlichkeit zu tragen – Verantwortung für gesellschaftliche Entwicklungen insgesamt zu übernehmen – und dabei nicht nur die eigene "akademische" Welt im Auge zu haben. Auf der Seite der Machthabenden ist "1848" umgekehrt ein Lehrstück dafür, dass es allemal zur Eskalation von Konflikten kommt, wenn Gewalt eingesetzt wird – die Märztage wären ohne Schießbefehl völlig anders verlaufen. Und der heutigen Öffentlichkeit könnte man ins digitale Stammbuch schreiben, dass Studenten sehr oft das Richtige fordern, das über kurz oder lang allen zu Gute kommt. (Brigitte Mazohl, 7.3.2018)